Previous item Next item

IN DER CORONAZEIT STEHENGEBLIEBEN

Objekt

Titel

IN DER CORONAZEIT STEHENGEBLIEBEN

Zusammenfassung

In der Coronazeit stehengeblieben


Eine Geschichte aus der Coronazeit 2021
(Krimi / Drama, Handlung spielt in Österreich und z.T. auch in der Schweiz)

Von Berthold von Kamptz


Salzburg im Jahre am 3.12.2041. Ich sitze in meiner Wohnung in Salzburg in der Storchgasse und schreibe in meinem Tagebuch folgende Gedanken nieder:

Als ich einen Tages im August 2041 zum Einkaufen in die Raupengasse in der Nähe der Mozartplatzes ging, sah ich wieder den Mann vor dem Supermarkt stehen. Es war der 55-jährige Obdachlose Herr Jürgen Poppe (dessen Name ich später erfuhr), der durch die Straße schlich und in den Mülleimern nach etwas Essbaren suchte. Er sah ziemlich verkommen aus: Sein Haar war zerzaust, er hatte einige verfaulten Zähne, er hatte alte, ungewaschene Kleidung an. Und er trug einen kleinen Rucksack, in denen er seine Habseligkeiten verstaut hatte. Ich kannte ihn schon ein wenig vom Sehen, weil er hier oft rumspazierte und immer eine Maske trug. Obwohl Corona nun vorbei war. Als er gerade in der Mülltonne am der Straße nach etwas Essbaren suchte, sprach ich ihn an.
"Sie tragen immer noch Maske und achten peinlichst genau auf Abstand. Corona ist doch schon längst vorbei. Die Ärzte haben neuen Impfstoff entwickelt. Alles sei okay. Die Leute tragen keine Maske mehr", erklärte ich.
Doch er reagierte panisch.
"Corona ist nicht vorbei. Es ist nicht vorbei. Corona ist überall. Nur Maske und Abstand schützt. Ich trage weiterhin eine Maske und gehe auf Abstand", schrie er.
Ich merkte, dass er schwer betrunken war. Er wollte gerade weitergehen, als ich sagte": Ach , Du spinnst. Du hast wohl wieder zu viel getrunken."
Dann ging der Obdachlose traurig weiter. Dann sah ich, wie ihm ein Mann ihm entgegen kam. Er trug keine Maske. Als er dem Obdachlosen zu nahe kommt, wich dieser panisch zurück.
"HEY. VORSICHT! ES IST CORONA", sagte der Obdachlose.
Der Mann der ihn zu nahe kam, guckte ihn nur verwundert an und ging irritiert weiter. Dann drehte sich der Obdachlose zu mir um und sagte": Es ist Corona. Er versteht nicht. Nur Maske und Abstand muss sein."
"Aber...das ist doch verrückt. Corona ist vorbei", antwortete ich.
"Nur Maske und Abstand. Wir werden sonst alle umkommen. Nur Maske und Abstand", sagte er. Dann ging er davon.
Nanu. Der ist ja total Plemplem, dachte ich. Die Coronazeit ist vorbei und er trägt immer noch eine Maske. Wie in der Coronazeit 2020, 2021 und 2022. Hat wohl die Coronazeit nicht so ganz verkraftet? Ich ging dann nach Hause und schrieb diese Ereignisse in mein Tagebuch nieder. Dann widmete ich mich als freier Journalist meiner Arbeit. Denn ich schrieb gerade an mehreren Artikeln für mehrere Zeitungen in Salzburg. Nachmittags kam meine Frau Gaby nach Hause. Sie brüllte mich an": Du kannst auch Mal die Wohnung aufräumen. Nie hast Du Zeit für mich...", schrie sie. Wie so oft in der letzten Zeit. Denn um unsere Beziehung stand es nicht zum Besten.

Dann ging ich drei Tage später wieder zum Einkaufen und traf dann wieder den Obdachlosen. Er stand dieses Mal rechts mit einer Bierflasche in der Hand am Eingang des Supermarktes in der Raupengasse in der Nähe, wo die Einkaufswagen standen. Vor ihm auf dem Boden stand eine Spendenbüchse. Und wieder trug er eine Maske. Als ich ihn sah, bekam ich ein schlechtes Gewissen, weil ich ihn letztes Mal nicht gut behandelt hatte. Ich ging auf ihn zu und sprach": Es tut mir leid, dass ich letztes Mal so unfreundlich war. Ich bitte um Entschuldigung."
"Okay. Ist schon gut. Ich weiss, dass viele Leute mich für einen Spinner halten. Aber ich trage eine Maske. Das ist sicher. Wegen Corona. Ich weiss, dass es einen neuen Impfstoff gibt. Es können aber immer wieder neue Coronavarianten auftreten. Gefährliche Coronavarianten. Es ist gefährlich. Er ist sehr gefährlich", stammelte er.
"Ja. Ja. Lassen wir das Thema Corona. Es ist gut. Ich wollte mich nur Entschuldigen. Mehr nicht. Ich bin momentan sehr im Stress. Beruflich und privat", erzählte ich.
"Aha? Und was machen Sie beruflich?", fragte er.
"Du kannst 'Du' zu mir sagen. Ich bin Journalist. Bin viel am Arbeiten", antwortete ich.
"Ach ja. Ich kann das verstehen. Ich war früher auch nur im Stress", erzählte er.
Dann zog er den Ärmel seiner Jacke am rechten Arm hoch und zeigte er mir ein Tattoo auf seinem Arm. Es zeigt das Gesicht einer jungen, hübschen Frau.
"Das ist ein Portrait von meiner Frau. Das Tattoo hatte ich mir damals nach einem Foto von ihr, das ich damals von ihr gemacht hatte, machen lassen", erzählte er mir.
"Ja. Tolles Motiv", antwortete ich.
"Ja. Das ist ein gutes Portrait von meiner Frau. Das hatte ich damals von ihr gemacht. Ich bin nämlich Fotograf", erzählte er.
"Das ist interessant....aber. Tut mir leid. Ich muss leider einkaufen. Ich habe keine Zeit mehr", sagte ich.
"Ich verstehe das. Dann bis später."
Dann griff holte ich mein Portemonnaie aus der Hosentasche. Ich holte gerade ein Euro - Stück aus der Tasche, als plötzlich von der Seite ein Mann auftauchte und mich massiv anrempelte. Ich schrie und fiel zu Boden. Dabei liess das Eurostück fallen.
Ich lag auf dem Boden. Mit fiel auf, dass mein Portemonnaie fehlte. Ich erschrak: Ich hatte das verloren! Dann hörte ich den Obdachlosen schreien": Hau ab. Verschwinde! Sonst hau ich Dir eine rein!"
Ich ahnte Unglück und richtete mich schnell auf. Dann stand der Obdachlose vor mir: Er hatte mein Portemonnaie in der linken Hand. Sofort gab er mir das Portemonnaie.
"Danke", sagte ich.
"Du hast Glück gehabt", antwortet er.
"Was ist denn passiert?", fragte ich.
Dann zeigte er in die Richtung der Fuchsgasse. Ich drehte mich um. Und dann sah ich einen Mann weglaufen. Er war schlank, hatte dunkle Haare. Dann sagte der Obdachlose": Du hast Glück gehabt. Denn er wollte Dir das Portemonnaie stehlen. Er hatte Dir das Portemonnaie schon aus der Hand gerissen, da hatte ich ihm wiederum das Portemonnaie plötzlich aus der Hand gerissen und Dir jetzt gegeben. Hätte ich ihm das Portemonnaie NICHT mit solch einem Ruck weggerissen und ihn NICHT gedroht ihn zu verprügeln, hätte er das Portemonnaie sicher klauen können", erklärte er mir.
"Ich werde ihn kriegen", sagte ich. Dann rannte ich den Mann hinterher. Aber der Mann war schneller gewesen. Er war in die Fuchsgasse gelaufen und dort irgendwo bei den Häusern verschwunden. Ich lief rechts in die Fuchgasse rein und suchte alles ab. Auch die Häuser. Aber er war nicht zu finden. Er war entkommen! Wütend und frustriert ging ich wieder zu dem Obdachlosen am Supermarkt.
"Er ist weg", sagte ich zu ihm.
"Ja. So ein Mist", sagte der Obdachlose.
Ich bedankte mich bei ihm.
"Ich bin so froh, dass ich mein Portemonnaie wieder bekommen habe. Danke, dass Du verhindert hast, das er das geklaut hat", sagte ich.
"Bitte. Ich helfe gerne", antwortete er.
"Dafür lade ich Dich zum Essen ein. Ganz bestimmt", versicherte ich.
"Wirklich? Gerne", entgegnete er.
"Aber...es tut mir leid. Ich muss jetzt einkaufen und zu meiner Frau. Und dann werde ich zu Hause arbeiten. Wir werden in den nächsten Tagen zusammen essen gehen", sagte ich.
"Ja. Gerne", antwortete er.
Dann steckte ich ein Euro-Stück in den Einkaufswagen und ging damit in den Supermarkt. Ich kaufte dort ein, was nötig war: Brot, Wurst, Schinken, Käse, Eier, Orangensaft und ein paar Flaschen Wasser (ich trinke kein Alkohol). Dann ging ich mit dem Einkaufswagen wieder zur Kasse, bezahlte und nahm noch einige Tüten mit. Dann packte ich die Lebensmittel in die Tüten und ging mit diesen und dem leeren Einkaufswagen nach draussen. Dann stellte ich den Einkaufswagen vor dem Supermarkt (dort wo die anderen Einkaufswagen waren) ab und blickte mich nach dem Obdachlosen um. Doch er war nicht mehr da. Spurlos verschwunden! Dann ging ich nach Hause und schrieb an meinem Schreibtisch nieder, was ich erlebt habe. Dann machte ich meinen Job und schrieb an meinen Artikeln für einige Zeitungen weiter... Das machte mir in diesen Moment nicht sehr viel Spaß, aber das war eben mein Job. Ein Job mit Höhen und Tiefen aus meiner Sicht.

In den nächsten Wochen sah ich den Obdachlosen gar nicht mehr. Erst am 28.10.2041, als ich mit dem Bus vom Salzburg Bahnhof (Südtiroler Platz) zur Station Rudolfskai fuhr, sah ich ihn zufällig als Nervenbündel im Bus sitzen. Er sass mit Maske zusammengekauert auf seinem Sitz. Und schien ziemlich betrunken zu sein. Da nach all den Coronajahren dazu (freiwillig!) geraten wurde in Bus und Bahnen eine Maske zu tragen (als Hygienemassnahme), holte ich meine Maske aus der Tasche und setzte sie auf. Dann ging zu ihm und sprach ihn an.
"Hallo. Geht es Dir gut?", fragte ich.
"Ja. Bitte geh auf Abstand. Nur auf Abstand", lallte er.
"Schon gut. Schon gut. Ich trag eine Maske", beruhigte ich ihn.
"Ja. Aber da können seitlich an der Maske Corona-Viren entweichen. Ich bin mir nicht sicher ... Man darf ja auch hier nichts anfassen. Am besten soll man nur zu Hause bleiben. Ja. Maske und Abstand ist sehr wichtig", stammelte er.
"Ja. Ich verstehe ja, dass Du noch in der Zeit von damals lebst und noch kein Abstand von Corona hast. Und enorme Angst vor Corona hast. Ich sag Dir nochmal: Es ist nicht mehr so schlimm mit Corona! Sie haben immer noch zwar noch kein Heilmittel. Aber ein Mittel, das die Symptome zumindest abmildert. Und die Impfungen bringen auch was. Ich habe schon mittlerweile die 11. Corona-Impfung. Aber das bringt was", erklärte ich ihm.
"Ich habe schon für 16. Corona-Impfung. Und ich hatte früher zweimal schwer Corona gehabt. Mit Post-Covid-Folgen. Das ging bei mir auch aufs Gehirn, sagte mein Arzt. Da ging vieles durch die Nase ins Gehirn. Ich habe Gedächtnislücken, kognitive Störungen. Auch vom übermäßigen Alkoholgenuss - besonders in der Coronakrise und auch in der Zeit danach, sagt der Arzt. Er sagt, ich hätte mein halbes Hirn weggesoffen", sagte er. "Ich hatte früher zuviel Schnaps, hochprozentigen Wodka, Whisky -Bourbon - oft mit Cola, Gin, Ouzo (oft auf Ex) und jede Menge Bier getrunken. Oft auch Salzburger Bier."
Als er das sagte, wusste ich Bescheid. Corona hatte sein Gehirn (vermutlich auch sein Frontalhirn, das für das Verhalten verantwortlich ist) zerstört. Und zum Teil hatte auch der Alkohol Schuld. Vielleicht lag das auch etwas am übermäßigen Impfen (wer weiss das?). Irgendwie tat er mir leid. Und irgendwie auch nicht. Denn dass er früher so schwer (wie er angab) Corona hatte, war schlimm. Das war nicht seine Schuld, sondern Pech. Vermutlich hatte seine schlimme Erfahrungen bewirkt, dass er solch eine Paranoia wegen Corona entwickelt hatte. Dass er sein Gehirn weggesoffen hatte, war aber seine Schuld. Er hätte meiner Ansicht nach nicht trinken müssen. Aber ich konnte erahnen, warum er trank. Was nach diesen Begegnungen für mich klar war: Die Coronazeit hatte ihn ruiniert! Und mental war er immer noch in der Coronakrise 2020. Die Zeit war für ihn irgendwie stehen geblieben. Er hatte einfach kein Abstand zu der Coronakrise damals gehabt und auch in diesem Zeitpunkt einundzwanzig Jahre später im Jahre 2041 immer noch nicht. Er dachte in seinem Alkoholrausch, in seinem Wahn oder in der Psychose, dass das Coronavirus auch noch im Jahr 2041 überall umherlief oder umherschwirrte, glaubte, dass er sich überall anstecken könnte.... Und er trug aus übertriebener Angst vor Corona immer immer noch eine Maske und ging auf Abstand. Besonders schlimm schien es zu sein, wenn er stark betrunken war. Irgendwie war bei ihm damals im Kopf auf irreparabele Art eine Sicherung durchgebrannt. Zum Teil auch als Folge von Alkoholdemenz. Als Folge von jahrelangem Alkoholkonsum. Er hatte nicht nur in den letzten Jahren viel gesoffen. Sondern auch (wie er sagte) damals schon in der Coronakrise 2020. Und er hatte damals wie er selbst sagte in dieser Zeit alles weggesoffen, was er in die Finger gekriegt hatte: Schnaps , hochprozentigen Wodka, Whisky -Bourbon - oft mit Cola, Gin, Ouzo (oft auf Ex) und jede Menge Bier...Er war eigentlich ein feiner Kerl. Das Besondere bei ihm war eben die besondere Angst vor Corona und das er immer noch eine enorme Angst vor Corona hatte, noch mental in der Coronazeit 2020 lebte und er deshalb überall wohin er ging eine Maske trug. Ich beschloss ihn zum Essen einzuladen. Eben weil er mir geholfen hatte, als man mich bestehlen wollte! Ohne ihn hätte der unbekannte Mann mir mein Portemonnaie gestohlen! Und: Zwar hatte er einen coronabedingten Schaden, aber eigentlich ist er ganz nett und hilfsbereit, dachte ich.
"Ich bedanke mich, dass Du mir geholfen hattest. Das würde nicht jeder für mich tun. Ohne Dich hätte der Mann mir mein Portemonnaie gestohlen. Ich lade Dich daher zum Essen ein. Das sagte ich Dir zum Wiederholten Mal", sagte ich.
"Ja. Gerne. Wann?", fragte er mich.
"Da ich arbeiten muss...Passt es morgen um 14 Uhr im Restaurant Mister Rinaldo? In der Limonengasse 14 am Mozartplatz?"
"Ja. Gerne."
"Gut. Morgen treffen wir uns 13:30 Uhr vor dem Supermarkt. Dort hole ich Dich ab und dann gehen wir in die Limonengasse 14 zum Restaurant Rhinaldo", teilte ich ihm mit.
"Ja. Danke. Ich werde da sein."
"Wie heißt Du eigentlich?", fragte ich.
"Ich heiße Jürgen Poppe", antwortete er.
Dann stellte ich mich vor.
"Ich bin Egon Richter."
"Sehr erfreut", sagte er. "Und wie alt bist Du?", fragte er mich.
"Ich bin 41 Jahre alt", antwortete ich. Und Du?"
"55 Jahre alt", antwortete er.
"Gut. Ich wollte Dich schon letztes Mal einladen. Du solltest vor dem Supermarkt warten. Aber Du warst dann nicht da", sagte ich.
Dann sagte er etwas, was mich verblüffte.
"Ja. Ich hatte in dieser Zeit als Du im Supermarkt gewesen warst draussen wieder den Mann gesehen, der Dir Dein Portemonnaie stehlen wollte. Ich hatte ihn auf der anderen Straßenseite gesehen. Da war ich hinterhergerannt. Da war er weggelaufen. Ich bin mir ziemlich sicher, dass er das war", erzählte er.
"Ja. Mist. Besser wäre es, wenn Du ihn gekriegt hättest", entgegnete ich.
"Er war zu schnell."
"Wir reden morgen in Ruhe darüber", schlug ich vor. "Bis morgen 13:30 Uhr vor dem Supermarkt", sagte ich. Dann hielt der Bus. Ich stieg Salzburg Rathaus, eine Bushaltestelle früher als er aus. Und er fuhr eine Bushaltestelle weiter zu Salzburg Mozartsteg Rudolfskai. Nachdem ich durch einige Gassen marschiert war, kam ich wenig später in meiner Wohnung in der Storchgasse an. Dort zu Hause hielt ich alle Erlebnisse an diesem Tag in meinem Tagebuch fest.

Am nächsten Tag am 29.10.2041 arbeitete ich zu Hause schon früh an meinen Artikeln für die Zeitungen. Etwa um 10 Uhr machte ich eine kleine Pause, verließ meine Wohnung und ging zu einem Bäcker in der Strasse Rudolfskai. Nicht weit weg von der Karoliner Brücke entfernt. Dort sass ich an einem Tisch, trank ich einen Kaffee und blickte aus den Fenster. Und beobachtete die Leute. (Denn dieses Beobachten von Leute war eine Angewohnheit von mir, die ich bei meiner Tätigkeit als Journalist entwickelt hatte.) Dann machte ich zufällig eine Entdeckung. Ich sah den Obdachlosen Jürgen Poppe am Gehweg an der Bäckerei an der Strasse Rudolphskai entlanglaufen. Er trug wie immer eine Maske. Und er hatte seinen kleinen Rucksack bei sich. Er ging eine Weile den Gehweg runter und blickte sich um. Einige Fußgänger gingen an ihm links vorbei. Ängstlich wich er nach rechts aus. Die Coronaangst war bei ihm immer noch tief verwurzelt. Dann ging er weiter. Nach einigen Metern stoppte er an einer grossen, runden Mülltonne, die am Strassenrand stand. Ich sah, wie er in die Mülltonne reinblickte, um was Essbares zu finden. Als er gerade dabei war die Mülltonne am Wegesrand zu durchwühlen, zuckte er zurück. Dann sah ich an der Mülltonne eine Ratte weglaufen. Die überleben eher im Dreck als so manch ein Obdachloser, dachte ich.
Dann sah ich in der Ferne Kinder in Halloween Kostüm über die Strasse laufen. Ist doch viel zu früh für Halloween, wir haben erst den 29.10.2041. Aber die können das gar nicht abwarten, dass Halloween ist, dachte ich. Dann sah ich einen Mann mit Sonnenbrille und schwarzer Lederjacke auf der anderen Strasseseite am Rudolfskai entlang gehen, der meine Aufmerksamkeit erregte. Er war dünn und hatte schwarze, kurze, nach hinten gekämmte und gegelte Haare. Er war mir auf den ersten Blick nicht geheuer! Zuerst wusste ich nicht, warum ich so empfand.
Dann bemerkte ich, dass er sehr dem Mann ähnelte, der mir vor einigen Wochen das Portemonnaie stehlen wollte. Was für ein Zufall, dachte ich. Ich sah, dass der Mann am Rudolfskai an der Salzach stehen blieb und telefonierte. Als er mit dem Rücken zu mir stand und scheinbar auf die Salzach blickte, ließ ich den Kaffe stehean, stand auf und sagte der Verkäuferin am Tresen": Entschuldigung. Ich muß kurz nach draussen. Ich habe da ein Problem. Ich muss kurz raus. Ich komme gleich wieder."
"Aber bezahlen Sie bitte gleich", sagte sie.
"Ja. Ich komme gleich wieder", antwortete ich.
Dann lief ich schnell zu der Eingangstür der Bäckerei, öffnete sie und winkte dem Obdachlosen zu. Als er mich nicht sah, ging ich aus der Bäckerei raus, ging einige Schritte auf dem Fussweg vor der Bäckerei auf ihn zu und zischte": Hallo. Komm schnell rein in die Bäckerei. Und sei leise."
Jürgen drehte sich zu mir um und sagte": Hallo. Freut mich Dich zu sehen."
"Sei leise. Da steht der Mann, der mir mein Portemonnaie stehlen wollte. Vermutlich ist er das. Komm schnell rein in die Bäckerei. Und sei leise", sagte ich.
"Gut", sagte er leise.
Ich dachte schon, dass der Mann mit der Sonnenbrille uns bemerken würde. Aber das schien nicht so zu sein. Denn als ich ihn anblickte, stand er immer noch mit dem Rücken zu uns, telefonierte und schien uns wirklich nicht zu bemerken. Ich packte Jürgen am Arm und dann gingen wir leise wieder in die Bäckerei rein.
"Da draussen steht wirklich der Mann, der mir das Portemonnaie klauen wollte", sagte ich ihm wiederholt.
"Was? Bist Du sicher?", fragte er.
"Ja. Ziemlich. Er trägt jetzt eine Sonnenbrille."
"Ja. Ich wollte Dir sowieso was sagen. Ich hatte zufällig diesen Mann schon gestern gesehen mit zwei anderen Männern. Das war am Mozartplatz. Ich hatte gerade in einem Mülleimer Essen gesucht, als ich sie sah, hatte ich mich sofort geduckt und mich hinter einem Mülleimer versteckt. Und da hatte ich versucht ihr Gespräch zu belauschen. Ich hörte nur einige Wortfetzen. Der eine Mann sagte etwas von einem Überfall", sagte Jürgen leise.
"Wirklich? Überfall? Hast Du Dich nicht verhört?", fragte ich.
"Nein. Der eine Mann sagte 'Überfall'. Ich hab das genau gehört", berichtete Jürgen.
"Weisst Du denn wie sie aussehen? Hast Du auch dem Typen gesehen, der mich überfallen hat?"
"Ich bin mir nicht hundertprozentig sicher", antwortete er.
"Setzen uns seitlich an den Tisch, wo man uns von der Straße aus nicht sehen kann. Wir beobachten den Mann. Und dann reden wir über alles", flüsterte ich.
"Genau."
"Was möchtest Du essen und trinken?", fragte ich Jürgen.
"Ich hätte gerne ein Kaffee und ein Franzbrötchen. Aber sage der Verkäuferin unbedingt, dass sie Abstand nimmt. Ich muss mich vor Corona schützen. Und ich werde die Maske nur kurz abnehmen, wenn ich esse oder trinke. Ansonsten werde die ganze Zeit Maske tragen", sagte er.
"Ja. Das wird so gemacht", sagte ich.
Dann ging ich zur Verkäuferin am Verkaufstresen und bestellte schnell ein Kaffee und ein Franzbrötchen. Und drückte der Verkäuferin schnell 20 Euro in die Hand.
"Hier. Den Rest des Geldes bringen Sie mir, wenn sie mir die Bestellung bringen. Und es wäre nett, wenn sie eine Maske tragen, da mein Freund etwas Angst vor Corona hat", sagte ich.
"Kein Problem. Ich setz eine Maske auf", sagte sie. "Ich hätte aber kurz eine Frage. Sie erwähnten eben etwas von einem Problem. Kurz bevor Sie raus gerannt sind. Was meinten Sie damit?", ergänzte sie.
"Da draussen habe ich einen Mann erkannt. Er sieht dem Mann ähnlich, der mir vor ungefähr zwei Monaten mein Portemonnaie klauen wollte", erzählte ich.
"Ach wirklich? Dann sollten Sie besser die Polizei rufen."
"Ja. Das ist der, glaube ich."
"Sie sagen 'glaube ich'. Sie vermuten, dass er es ist, aber können es nicht zu hundert Prozent sagen. Sind sie sich wirklich sicher? Das ist ja schon - wie Sie selbst sagten - zwei Monate her, dass jemand Ihr Portemonnaie stehlen wollte", sagte die Verkäuferin.
"Wir werden das noch einmal am Tisch beim Kaffee besprechen. Und die ganze Situation beobachten. Dann werden wir dann sehen", entgegen ich. "Ich bin Journalist. Ich weiss selbst, dass man hundertprozentige Beweise braucht", sagte ich.
"Gut. Dann wissen Sie, dass man Beweise braucht."
"Ja."
Dann nahm ich mein Kaffee von dem Tisch, an dem ich vorher gesessen hatte, in die Hand und ging zu einem anderen Tisch ganz links, an dem sich die zusammen gezogenen Vorhänge befanden. Jürgen folgte mir. Und dann setzen wir uns. Links am zusammen gezogenen Vorhang sass ich und Jürgen sass mir am Tisch gegenüber. Man konnte uns dort wo wir sassen nicht von der Straße aus sofort sehen. Aber von unseren Plätzen aus konnten wir die Straße und die Personen gut beobachten! Wir blickten auf die Straße und dann sahen wir, dass der Mann mit der Sonnenbrille immer noch telefonierte.
"Ich bin mir ziemlich sicher, dass es der Mann ist, der mir das Portemonnaie klauen wollte. Findest Du nicht?", fragte ich.
Jürgen blickte auf den Mann und runzelte die Stirn.
"Also...ich finde nicht, dass der Mann mit der Sonnenbrille grosse Ähnlichkeit mit dem Mann hat, der Dir das Portemonnaie rauben wollte. Dieser Mann hier trägt Sonnenbrille und eine schwarze Lederjacke. Und der Mann, der Dir das Portemonnaie rauben wollte, damals nicht. Das ist der Unterschied. Daher ist das schwer das zu beurteilen....das ist ja auch zwei ungefähr zwei Monate her, als das am Supermarkt passierte", meinte er.
"Aber denk Dir die Sonnenbrille und die Lederjacke bei dem Mann mit dem Handy weg. Dann könnte er der Räuber sein!", sagte ich beharrlich.
"Du...wenn wir jemanden bei der Polizei beschuldigen und der ist am Ende doch unschuldig, können wir grosse Probleme kriegen!", wies Jürgen darauf hin.
"Da hat Du auch Recht", antwortete ich.
Doch ich war von meiner Überzeugung nicht abzubringen. Ich holte mein Handy aus der Tasche und machte blitzschnell einige Fotos von dem Mann.
"Du weisst, dass es aus datenrechtlichen Gründen problematisch ist, jemanden einfach zu fotografieren? Ich glaube das hat die Frau am Tresen nicht so gerne hat, wenn jemand hier so einfach Fotos macht", sagte Jürgen.
Da hatte er nicht unrecht. Er schien nicht so dumm zu sein, sinnierte ich. Etwas verwirrt durch die Coronakrise damals. Besonders wenn er betrunken war! Wenn er nicht betrunken war, wirkte er schon normaler - abgesehen bis auf seine etwas ungepflegtere äußerliche Erscheinung. Aber dumm ist er nicht! Schliesslich hatte er studiert, ist ein professioneller Fotograf und kennt sich sicher auch beim Thema Datenschutz aus. Ist nur leider in der Coronakrise unter die Räder gekommen, dachte ich.
"Ach, das geht in Ordnung. Dann muss ich schnell ein paar Fotos machen, so dass das keiner sieht", sagte ich.
"Wie Du willst. Aber lass mich da raus. Ich will keinen Ärger. Denn da draussen hier irgendwo zu leben ist für mich, der die Freiheit liebt, besser als im Gefängnis zu hocken", antwortet Jürgen.
Dann fuhr ein dunkler Ford Escort die Straße entlang und hielt direkt auf der zur Zeit wenig befahrenen Strasse neben dem Mann mit Sonnenbrille und schwarzer Lederjacke, der telefonierte. Drei Männer stiegen aus. Sie gingen auf ihn zu und redeten kurz mit ihm. Jürgen versuchte sie genau zu beobachten, konnte aber aus der Entfernung nicht genau ihre Gesichter erkennen. Der eine Mann von den drei Männern, die aus dem Wagen ausgestiegen waren, hatte eine schwarze Tasche in der Hand. Er sah fast aus wie ein Businessman. Hatte einen langen Mantel an und trug Stoppelhaarschnitt. Der andere Mann war ein stämmiger, muskulöser und blonder Typ. Und trug auch eine Lederjacke. Nur keine schwarze, sondern braune Lederjacke. Sah fast aus wie ein Zuhälter. Der dritte Mann war ein kleiner Mann mit der Schieber-Mütze. Sie schienen etwas Wichtiges zu besprechen. Der eine Mann guckte kurz nach rechts über die Strasse. Auch der andere Mann von den Dreien blickte auch kurz nach rechts. Was bedeutet das?, fragte ich mich. Wieder nahm ich mein Handy in die Hand und machte blitzschnell einige Fotos. Dann kam die Verkäuferin zu uns mit einem Tablett, auf dem die Tasse Kaffe und der Teller mit dem Franzbrötchen war. Sie stellte den Kaffee und das Franzbrötchen vor Jürgen auf den Tisch. Und legte das Wechselgeld und den Bon von mir auf den Tisch.
"Sie wissen, dass Filmen hier nicht gestattet ist. Erst Recht keine anderen Personen. Wenn Sie hier die Blumen am Tisch filmen, drücke ich ein ausnahmsweise Auge zu, aber andere Personen ohne Einwilligung filmen oder fotografieren bitte nicht ", sagte sie.
"Oh. Entschuldigung", entgegnete ich.
Ich war in diesem Moment abgelenkt und blickte nicht mehr zu den vier Männern.
"Ich hab Ihnen hier das Franzbrötchen und den Kaffee serviert. Das Wechselgeld liegt auf den Tisch. Wenn Sie noch was bestellen wollen, sagen Sie Bescheid", sagte die Verkäuferin.
"Okay. Danke", sagte ich leicht verärgert. "Jetzt haben Sie mich etwas abgelenkt", sagte ich.
"Das tut mir leid. Ich wollte ihnen nur das Wechselgeld und die Bestellung bringen. Und hatte nur darauf hingewiesen, dass Filmen und Fotografieren hier nicht erlaubt ist", erklärte sie.
Dann blickte ich wieder zu den vier Männern. Ich sah noch gerade, wie die vier Männer in den Wagen einstiegen. Dann fuhren sie blitzschnell weg.
"Das Kennzeichen müssen wir aufschreiben!", schrie ich. Ich versuchte noch schnell meinen Stift zu greifen, den ich in der Tasche hatte. Aber dann waren sie blitzschnell weggefahren und daher war das Erkennen und Aufschreiben des Fahrzeugkennzeichens nicht möglich.
"Mist. Wir haben das Kennzeichen nicht", sagte ich laut.
"Schade", antwortete Jürgen.
"Für mich sind sie verdächtig."
"Ich glaube das mittlerweile auch. Ich bin mir nicht zu hundert Prozent sicher. Aber drei von ihnen könnten die Männer gewesen sein, die ich am Mozartplatz gesehen hatte", sagte Jürgen.
Ich dachte nach.
"Du sagtest, dass der eine Mann am Mozartplatz das Wort 'Überfall' gesagt hatte", erwähnte ich.
"Ja. Das stimmt", sagte er. "Obwohl....Ganz sicher bin ich mir nicht mehr....er könnte auch 'überfahren' gesagt haben. Ich bin mir im Nachhinein nicht so sicher", korrigierte er sich.
"Das ist aber nicht sehr hilfreich", sagte ich.
"Aber der eine Mann könnte das Wort 'Überfall' tatsächlich gesagt haben", meinte Jürgen.
"Und das könnten auch die Männer sein, die aus dem Auto ausgestiegen waren!", meinte ich.
"Ich ähm...ich bin mir nicht sicher", sagte er.
"Das bringt uns nicht viel weiter."
"Ne."
"Worüber könnten Sie gesprochen haben?", fragte ich.
"Ich weiss nicht."
"Denk nach. Über was haben sie geredet?", fragte ich.
"Naja ...der eine sah aus wie ein Geschäftsmann. Der andere wie ein....Zuhälter. Der andere sah aus wie ein Totengräber in dem Film "lebendig begraben" von Roger Corman. Ein ganz alter Film aus dem 60ern", erzählte Jürgen.
Ich überlegte.
"Das ist interessant. Und wenn das ein Geschäftsmann ist, dann haben Sie vielleicht über irgendwelche Geschäfte gesprochen. Fragt sich nur welche Geschäfte", sagte ich.
"Ja. Illegale Geschäfte", antwortete Jürgen.
"Ja. Das kann möglich sein. Drogen, Prostitution...", ergänzte ich.
"Hier? Ich glaube nicht, dass sie was mit Drogen zu tun hatten."
Ich dachte nach. Und mich quälten einige Fragen. Warum trägt der Mann am Rudolkskai im kalten Spätherbst eine Sonnenbrille? Ist das für neueste Mode? Warum hat er diesen Koffer in der Hand? Wieso guckt der blonde Mann sich so nervös nach hinten um? Fragen über Fragen kamen mir in den Sinn.
Ich dachte weiterhin nach und dann erinnerte ich mich, dass zwei der Personen nach links blickten. Das fiel mir sehr auf. Ich erzählte ihm von meinen Beobachtungen.
"Zwei der Männer blickten nach links. Was gibt es da so Besonderes? Was meinst Du", fragte ich.
"Ich weiß nicht. Ich glaube, ich brauche bald ein Bier", entgegnete er ungeduldig.
Ich ging nicht darauf ein, was er sagte. Ich ging schnurstracks zur Eingangstür der Bäckerei.
"Ich werde rausgehen und nachsehen", sagte ich.
Und die Verkäuferin blickte mich etwas wütend an. Du nervst allmählich, dachte sie bestimmt.
Ich ging dann raus aus der Bäckerei. Und stand wenig später mit gewissen Abstand auf den Gehweg und blickte dorthin, wo die beiden Männer hingeguckt haben. Dort waren nur Häuser: Ein Schuhgeschäft gab es dort, ein Modegeschäft, ein Zeitschriftenladen, ein Souvenirgeschäft, wo es es allerlei gab zum Beispiel auch Süßigkeiten. Dann gab es eine Bank, dann einige andere Mietshäuser ohne Geschäfte. Mehr war nicht zu sehen. Nicht das, was meiner Meinung in diesem Moment interessant wäre.

Dann nahm ich mein Handy und machte einige Fotos von den Geschäften und Häusern. Ich ging einige Schritte zurück auf die Strasse, in der in diesem Moment kein Auto fuhr. Und machte dann einige Fotos aus einer anderen Perspektive. Danach ging ich weiter zurück und stellte mich dorthin, wo der Wagen und die Männer gestanden hatten und machte von dort noch einige Fotos. Dann sah ich mir die Fotos genauer an, die ich von dem Mann mit der Sonnenbrille und dem Wagen und den anderen drei Männer gemacht hatte. Ich stellte mit Enttäuschung fest, dass sie völlig verwackelt und daher unbrauchbar waren. Die Fotos waren einige einzige Katastrophe! Ich konnte auf einem ganz verwackelten Foto nur ganz undeutlich den Mann mit der Sonnenbrille erkennen. Von seinem Gesicht sah man nichts. Das könnte theoretisch jeder sein. Auf den anderen Fotos sah ich ganz schwach und verwackelt nur den Wagen und die drei Männer. Kein Foto war als Beweis brauchbar! Absolut nichts! Enttäuscht ging ich zur Bäckerei zurück. Als ich wieder in die Bäckerei reinging, ging ich an den Tisch, an dem Jürgen immer noch saß und immer noch seinen Kaffee trank, und zeigte ihm die verwackelten Fotos von den Männern.
Nachdem er die Fotos betrachtet hatte, sagte er": Also die Fotos kannst Du nur löschen. Da sieht man nichts." Vermutlich war ich, als ich die Männer mit dem Handy fotografiert hatte, zu abgelenkt und hektisch und konnte deshalb keine guten und brauchbaren Fotos machen, dachte ich. Dann zeigte ich Jürgen die Fotos, die ich von den Häusern gemacht hatte.
"Fällt Dir hier was auf?", fragte ich ihn.
"Gar nichts. Nur daß da Geschäfte sind. Und eine Bank. Vielleicht wollen sie ja eine Bank ausrauben", sagte er scherzhaft. Er fing etwas an zu lachen unter seiner Maske, die er in diesem Moment aufhatte (da er in diesem Moment nicht ass oder trank). Das, was er als Scherz gemeint hat, stimmte mich nachdenklich.
"Meinst Du wirklich, sie planen sie etwas? Weil Du vorhin sagtest, dass ein Mann von den Männern, für Du am Mozartplatz gesehen hattest, etwas von einem 'Überfall' gesagt hat", hakte ich nach.
"Ich kann mich auch verhört haben. Und außerdem weiß ich nicht, ob die Männer, die aus dem Auto ausgestiegen sind, dieselben Leute sind, die ich am Mozartplatz gesehen habe. Daher glaube ich nicht an einen geplanten Raubüberfall oder Banküberfall," sagte er.
"Gut. Dann wird wohl nichts sein....übrigens erinnere ich mich, dass vor drei Jahren eine Bank und einmal vor vier Jahren ein Krämerladen in Salzburg und noch ein Laden in Innsbruck ausgeraubt worden waren. Ich erinnere mich, weil ich Journalist bin und über einiges informiert bin", erzählte ich.
"Ja. Da war mal was in der Zeitung. Ich fische immer die Zeitungen aus den Mülleimer und dann lese ich sie", erzählte er.
Dann mischte sich die Verkäuferin ein, die das Gespräch mitgehört hatte.
"Hier in Salzburg ist es eigentlich ruhig. Aber es gab hier vor einigen Jahren einige Einbrüche. Und einige Überfälle, die Sie erwähnt haben", sagte die Verkäuferin.
Ich wurde neugierig. Mich interessierten diese Fälle brennend, weil ich eben Journalist bin und über Sensationen berichte. Und sowas könnte vielleicht etwas sein, worüber ich in Zukunft schreiben könnte. Zum Beispiel für die Zeitungen... Vielleicht wollte ich in Zukunft mal ein Buch schreiben... Vielleicht ein Kriminalroman. Aber ich brauchte dafür eine gute Story! Also musste ich die Augen für alles offen halten! Denn als freier Journalist musste ich mein Geld verdienen!
Dann sagte die Verkäuferin etwas, was ernüchternd klang": Dass der Mann mit der Sonnenbrille ein Krimineller ist, halte für ausgeschlossen. Er arbeitet im Brillengeschäft in der Wolkengasse nicht weit vom Mozartplatz gesehen."
"Wirklich?", fragte ich.
"Dann gehen wir hin", sagte ich sofort zu Jürgen.

Doch dann sagte Jürgen": Tut mir leid. Ich muss was alkoholisches Trinken. Ich kriege sonst Entzugserscheinungen. Ein Bier brauche ich jetzt und ein Bier später", sagte er.
"Trinken ist aber nicht gut", entgegnete ich.
"Ich brauche es....ich komme sonst nicht durch den Tag. Ich war schon mal früher an Alkoholentzugsdelir gestorben. An einem zu schnellen und radikalen Alkoholentzug. Das ist nicht so eine einfache Sache mit dem Alkoholentzug. Das muss man, wenn ihn macht, richtig durchziehen. Aber das hatte ich nicht richtig hingekriegt damals", sagte er.
Ich blickte auf die Kühltruhe mit Getränken, die rechts an der Verkaufs-Theke an der Wand stand und sagte zu der Verkäuferin": Ich möchte zwei Bier. Eins trinken wir hier. Und das andere draussen."
Dann sagte die Verkäuferin": Gut. Zwei Bier. Das macht sechs Euro vierzig."
Ich bezahlte und gab Jürgen die zwei Flaschen Bier. Dann schob er kurz die Maske unterhalb seinen Mundes in den Kinnbereich, machte er ein Bier auf und trank aus der Flasche.
"Ich denke wir gehen jetzt", sagte ich. "Denn ich muss arbeiten. Habe nicht so viel Zeit."
Dann blickte er mich traurig an.
"Dann hast Du keine Zeit mehr? Wir wollten um 14 Uhr doch in der Limonengasse in einem Restaurant essen. Im Restaurant Mister Rhinaldo", entgegnete er und setzte die Coronaschutz-Maske wieder richtig auf, so dass sein Mund und seine Nase bedeckt war.
Ich überlegte. Zwar hatte ich ihn nun schon beim Bäcker eingeladen. Aber da ich versprochen hatte, ihn auch zum Mittagsessen einzuladen, musste ich mich an mein Versprechen halten. Daher sagte ich": Okay. Wir gehen zusammen essen."
"Danke", antwortete er.
"Ich werde jetzt zuerst nach Hause gehen und arbeiten", sagte ich.
"Lohnt sich das denn mit der Arbeit, wenn wir uns wieder heute um 14 Uhr treffen?", fragte er.
Ich blickte auf die Uhr an der Wand. Es war mittlerweile kurz vor 11 Uhr. Er hatte Recht. Eigentlich müsste ich nach Hause fahren und an meinen Artikeln für die Zeitung arbeiten. Da es aber schon fast 11 Uhr ist und ich mich um 14 Uhr mit Jürgen zum Essen treffe, würde ich nicht viel Zeit für meine Arbeit haben. Aber so ganz freinehmen konnte und wollte ich nicht zunächst. Ich musste ein Kompromiss finden.
"Wir machen es so. Wir gehen schnell noch noch zum Brillengeschäft und gucken nach, ob dort der Typ, der dort arbeitet, derselbe Typ mit der Sonnenbrille war, den wir am Rudolkskai stehen gesehen haben. Danach gehe ich kurz nach Hause und werde einige Sachen erledigen. Und dann treffen wir uns um 13:30 Uhr vor dem Supermarkt", schlug ich vor.
"Einverstanden", antwortete er. Zuerst trank er das eine Bier zuende aus und steckte das andere Bier in seinen Rucksack, den er auf den Rücken trug. Dann verabschiedeten wir uns von der Verkäuferin. Dann gingen wir nach draussen. Wir hörten plötzlich das Salzburger Glockspiel. Das immer dreimal täglich um 8 Uhr, 11 Uhr und 18 Uhr kam. Wir gingen durch einige Strassen. Dann erreichten wir die Wolkengasse und fanden das Brillengeschäft.
"Wir werden dort reingehen und werden so tun, als ob wir uns Brillen angucken wollen", sagte ich.
"Aber ich sehe so ungepflegt aus. Soll ich besser draussen warten?", fragte er.
"Du kommst nur kurz rein. Das ist besser, wenn Du Dir den Mann, der dort arbeitet, auch mal genau ansiehst", meinte ich.
"Okay."
Dann gingen wir in das Brillengeschäft rein. Wir sahen uns um. Und dann sahen wir einen Mann mit Brille stehen. Aber wir wussten gleich, dass das nicht der Mann mit der Sonnenbrille war, den wir am Rudolfskai gesehen hatten! Dieser Verkäufer und Optiker, der eine Brille trug, wirkte dicker, hatte braune, kurze Haare und hatte ein kantigeres Gesicht, während der Mann am Kai dünner war und schwarze, kurze Haare und ein (so konnnte man aus der Entfernung ungefähr sehen) ein dünneres Gesicht hatte. Der Verkäufer und Optiker mit der Brille auf der Nase kam auf uns zu.
"Servus. Was kann ich für Sie tun? Kann ich helfen?", fragte er uns.
"Ich suche eine Brille für mich. Aber vorher sollte ich besser einen Augentest machen, so fällt mit jetzt gerade ein", heuchelte ich.
Und tat so , als wäre ich an Brillen interessiert.
"Ja. Wir müssten einen Termin machen. Jetzt können wir ihn nicht machen. Heute sind keine Termine mehr frei", erklärte der Optiker.
"Ich muss...erst einmal zu Hause in mein Terminkalender gucken. Ich werde dann später anrufen", sagte ich.
Dann holte er eine Karte aus seiner Jackentasche und gab sie mir. Ich steckte die Visitenkarte ein.
"Hier. Franz Sengemann. Ich bin stattlich geprüfter Optiker. Sie können anrufen", sagte er.
"Danke. Wir müssen jetzt weiter. Auf Wiedersehen", sagte ich abwimmelnd. Dann verliessen wir das Brillengeschäft.
"Wieder nichts", sagte ich draußen frustriert. "Ich fürchte langsam, dass wir das Ganze vergessen sollten. Der Mann im Brillengeschäft ist nicht der Mann, den wir am Rudolfskai gesehen haben", sagte ich.
"Nein. Das ist er nicht."
"Die Verkäuferin in der Bäckerei hat sich geirrt, als sie meinte dass dieser Optiker derselbe Mann mit der Sonnenbrille ist, den wir am Rudolfskai gesehen haben."
"Ja."
Jürgen holte aus seinem Rucksack das zweite Bier heraus, das er vorhin dort eingesteckt hatte. Und trank es aus.
Wir unterhielten uns über unsere Erlebnisse an der Bäckerei und gingen zum Mozartplatz. Als wir den Mozartplatz erreicht hatten, wollte ich mich von ihm verabschieden und fragte": Was machst Du gleich bis 13:30 Uhr?"
"Ich muss zum Friedhof Waldkreuz", antwortete er.
"Wo ist das?", fragte er.
"Das ist Gersberg Alm in der Nähe. Richtung Aussichtspunkt Gaisbergspitze", sagte er
"Und wer liegt da?", fragte ich.
Dann schob er den Ärmel seiner Jacke am rechten Arm hoch und zeigte mir an seinem Arm wieder sein Tattoo von seiner Frau.
"Dort liegt ist meine Frau. Sie ist gestorben."
Er bekam Tränen in den Augen.
"Sie ist gestorben?", fragte ich überrascht nach. "Das wusste ich nicht."
"Sie ist gestorben. Und ich hab Schuld", sagte er. Dann fing er an zu weinen. Und dann spitzte ich meine Ohren. Ich musste nachhaken. Ich wollte unbedingt seine Geschichte dazu hören. Neugierig wie ich war! Und auch nähere Erklärungen zu seiner Coronaangst finden. Und so beschloss ich mir an diesem Tag bis zum Spätnachmittag frei zu nehmen (um dafür abends länger zu arbeiten.) Und hörte ihm zu, was er zu erzählen hatte.

"Ich war damals ganz anders. Hatte keine vergammelten Zähne. Ich kann sagten, dass mein Leben früher intakt war. Ich würde an 14.7.1984 in Berlin geboren. Meine Kindheit war auch so einigermassen in Ordnung. Ich hatte einen größeren Bruder gehabt, der schon früh von zu Hause auszog und zu dem ich später keinen Kontakt mehr hatte. Meine Mutter war Schneiderin, mein Vater arbeitete bei der Bahn", erzählte er und nahm die Maske nur kurz ab, weil er ab und zu ein Schluck Bier trinken wollte. Dann erzählte er mir, während wir auf dem Mozartplatz standen, fast seine gesamte Lebensgeschichte. Das was er da so erzählte, war so interessant für mich, dass ich später anfing seine Geschichte aufzuschreiben....


Er erzählte, dass er 2006 bis 2010 in Berlin Fotografie studiert hatte. Dann hatte er 2010 bis 2012 zuerst im Studio Sina in Charlottenburg gearbeitet. Ab 2012 hatte er sich als Fotograf selbstständig gemacht. Hauptsächlich war er als Hochzeitsfotograf tätig. Dann - nachdem er damals von seinen (inzwischen verstorbenen) Eltern Geld bekommen hatte - hatte er sich im Jahre 2013 in Berlin Charlottenburg ein Fotostudio einrichten können. Und das Fotostudio lief gut. Er hatte zuerst Familien vor der Fotokamera gehabt. Auftragsarbeiten. Dann hatte er professionelle Passfotos gemacht. Bewerbungsfotos gemacht. Auch mit Bild-Nachbearbeitungen. Später hätte er Modells vor der Kamera gehabt. Dann hatte er Fotos für diverse Zeitschriften gemacht. Auch hatte er künstlerisch hochwertigere Foto gemacht. Darauf wurde dann ein Galerist aufmerksam und er hatte dann diverse Ausstellungen. Er war zwar kein Star in der Fotografenszene - aber er verdiente sehr gut. Der Erfolg stieg ihm ein bisschen zu Kopf. Er wurde etwas hochmütig, gab etwas zu viel Geld aus und er trank manchmal zu viel. Besonders auf diesen Sektpartys und Ausstellungs-Eröffnungen, zu denen er eingeladen wurden. Aber irgendwie siegte damals noch die Vernunft und er reduzierte dann den Alkoholkonsum. Dann - das war 2014 - machte er irgendwann einige Reisen. Eine 20- tägige Reise führte ihn damals nach Wien und Salzburg. Und in Salzburg ging er im Sommer 2014 in die Disco Miranda Night Club, in der er die Verkäuferin Miriam kennenlernte. Sie verliebten sich sofort ineinander. Und dann nahm sie ihn mit nach Hause zu ihrer Wohnung. Und dann landeten sie im Bett... Dann hatten sie eine zweiwöchige leidenschaftliche Beziehung. In dieser Zeit wurde ihm klar: Er hatte sich in diesem Frau verliebt! Da er sein Foto-Studio in Berlin hatte, musste er nach über zwei Wochen Urlaub in Österreich wieder nach Berlin reisen! Was ihm sehr schwerfiel! Auch ihr fiel die Trennung schwer! Und dann führten sie eine Zeitlang eine Fernbeziehung. Er arbeitete als Fotograf in Berlin und sie arbeitete in Salzburg als Verkäuferin und sie telefonierten täglich miteinander. Schließlich wurde Jürgen mit der Situation unzufrieden, dass er Miriam nicht regelmäßig sehen konnte. Und er musste sie sehen! So oft wie möglich! Und auch Miriam wollte ihn sehen! Schließlich hielt er es nicht mehr aus. Er verkaufte sein Foto-Studio in Berlin und zog nach Salzburg - gegen den Rat von seinen Eltern. Schließlich zogen er und Miriam in Salzburg zusammen in eine Wohnung und er besorgte sich neue Foto-Aufträge. Und dann lebten sie als Paar zusammen und waren glücklich. Auch beruflich ging es bei Jürgen immer mehr aufwärts. Er bekam in Salzburg immer mehr Foto-Aufträge und machte wenig später dort auch ein eigenes Fotosstudio auf. Und spezialisierte auch hauptsächlich auf Portraitfotos, auf Hochzeitsfotos und auf Personalausweisfotos. Schon bald merkte er, dass sie auch dem Alkohol zugeneigt war. So wie er früher zeitweise auch. Und dann tranken sie - zumindest ab und zu - gemeinsam zusammen. Oft Abends nach der Arbeit, bei Freunden, wenn sie mal eingeladen waren, oder wenn sie unterwegs sind oder abends im Bett. Zwar konnte man sie in dieser Zeit (noch) nicht als Alkoholiker bezeichnen, aber es war deutlich zuviel. Im Jahre 2015 heirateten sie - obwohl Jürgens Eltern (nachdem sie von Miriams Alkoholkonsum erfahren hatten) gegen diese Hochzeit waren. Sie verbrachten schöne Flitterwochen. In dieser Zeit fuhren sie in die Schweiz nach Bern, in der Miriams Eltern wohnten. Und dann nach Zermatt. Zuerst lernte Jürgen dann in Bern Miriams Eltern kennen. Und wohnten da zwei Wochen in ihrer Wohnung im Gästezimmer. Besonders mit Miriams Mutter sprach er viel - auch über Miriam in ihrer Abwesenheit. "Miriam ist eine nette Frau. Aber Du wirst es nicht einfach mit ihr haben. Sie ist manchmal wirklich kompliziert", sagte die Schwiegermutter ihm eines Abends in der Küche. Dann sagte sie plötzlich nichts mehr. Jürgen war natürlich damals etwas irritiert. Was meinte sie nur?, fragte er sich. Vielleicht kenne ich sie nicht gut genug, dachte er und er beschloss ihre Mutter später einmal zu fragen, was sie mit der Aussage "sie ist manchmal wirklich kompliziert" genau meinte. Aber er sagte sich damals, dass sie vielleicht früher kompliziert war, aber sich inzwischen geändert hatte. Erst Recht nach der Hochzeit. Deshalb nahm er die Aussage ihrer alten Mutter nicht allzu ernst. Aber etwas wurmte ihn das schon. Sie verbrachten ansonsten eine schöne Zeit in Bern bei ihren Eltern. Sie besuchten den Uhrenturm (Zytglogge), das Parlament-Gebäude, den Tierpark Bern - Dählhölzli und den Bärenpark, das Bundeshaus und den Bundesplatz, das Einsteinhaus, den Käfigturm, das Rathaus, die Aare, den Botanischen Garten der Universität ...Besonders die idyllische Berner Altstadt hatte es Jürgen sehr angetan. Abends guckten sie meistens mit Mutter und Vater in ihrer Wohnung fern. Übernachten taten sie ungestört im Gästezimmer ihrer Eltern. Dort war in dieser Zeit ihr "Ehebett". Als Jürgen eines Morgens mit Miriams Mutter mal alleine war, fragte er sie, was sie mit dem Satz "sie ist manchmal wirklich kompliziert" genau meinte. Da war sie schon gesprächiger. Sie sagte, dass Miriam schon als Teenagerin auffällig war. Sie litt schon früh an Depressionen. Sie erzählte auch, dass sie sich mit einem Messer an der Hand und mehrfach am Arm "geritzt" hatte, dass sie fast einmal einen Selbstmordversuch unternommen hatte. Sie erzählte, dass sie manchmal aufsaessig war und schon damals manchmal zu viel Alkohol getrunken hatte. Das überraschte Jürgen schon sehr und er fragte sich, wen er (wenn das wirklich alles stimmte, was ihre Mutter erzählt hatte) überhaupt geheiratet hatte. Schließlich war er dann so beunruhigt, dass Jürgen Miriam selbst nach ihrer Kindheit befragte. Sie gab dann schließlich zu, sich früher mal "geritzt" zu haben. Sie hatte ihm zwar früher schon davon erzählen wollen, hatte sich aber auch nicht getraut so etwas "Persönliches" ihm zu erzählen. Sie zeigte ihm ihren Arm, auf der feine Linien zu erkennen waren, die ihm aber vorher nicht aufgefallen waren. Auch erzählte sie von ihrem missglückten Selbstmordversuch und von ihrem Alkoholkonsum in der Vergangenheit. Sie erklärte aber auch, dass sie sich nun inzwischen geändert hätte und ein anderer, besser, ruhigerer Mensch geworden war. Besonders nach ihrer Hochzeit! Jürgen glaubte ihr das damals. Sie verabschiedeten sich von Miriams Eltern und fuhren mit dem Zug nach Zermatt. Für eine weitere Woche. Dort wohnten sie zeitweise in einer Jugendherberge. Sie fuhren dort mit der Bahn zum Gornergradgletscher, mit der Seilbahn zum Rothorn und zum Klein Matterhorn. Auch fuhren sie mit der Seilbahn zum Schwarzsee. Dort assen sie zusammen Kuchen in einem Restaurant und tranken ein Bier. Dort legte Jürgen plötzlich seine Hand auf Miriams Hand und sagte": Wir lieben uns. Das für immer! Egal was auch passiert. Wir trinken zusammen, wir leben zusammen und sterben zusammen." "Ja. Du hast Recht. Zwischen uns ist was Besonderes. Das ist ganz selten was da zwischen uns läuft", antwortete sie. "Gehen wir zur Hoernlihütte?", fragte Jürgen. "Aber ist das nicht zu gefährlich? Immerhin sind 600 Leute abgestürzt", antwortete sie. "Wir gehen zur Hoernlihütte. Sie haben ja nicht umsonst uns im Sportgeschäft die Bergwanderschuhe und die Teleskopstöcke ausgeliehen", meinte Jürgen damals. Dann bezahlten sie beim Kellner die Rechnung und dann gingen sie zuerst zum Schwarzsee und blickten auf die Berge. Und dann gingen sie den beschwerlichen Weg zur Hoernlihütte. Obwohl die Landschaften traumhaft und idyllisch waren und aus einem fantastischen Märchenbuch stammen könnten, war der Weg zur Hoernlihütte beschwerlicher als sie dachten. Es war steil, steinig, die Wege unübersichtlich und zum Teil schlecht ausgeschildert. Ein paar Mal waren sie fast vom Weg abgekommen, weil sie den in blauer Farbe aufgemalten Pfeil auf einem Stein nicht gesehen hatten! Ein anderes Mal mussten sie über einen wackeligen Steg gehen, der an einem Felsen verankert war. Und als die Hoernlihütte erreicht hatten, blickten sie ins tiefe Tal, das zum Teil schneebedeckt war. Und guckten nach oben zu dem Matterhornberg, der bedrohlich und aggressiv in die Höhe ragte. "Hier hatten Edward Whymper und sechs andere Personen 1865 die Erstbesteigung gemacht. Und Bergsteiger Michel Croz, Charles Hudson, D. Robert Hadow, Lord Francis Douglas stürzten damals hier ab. Nur Edward Whymper und Vater Taugwalder und Sohn überlebten", erklärte Jürgen. "Eine ganz schlimme Situation", sagte Miriam. "Und trotzdem zieht auch heute immer noch genug Leute auf diesen Berg", entgegnete Jürgen. "Lass uns wieder in den Ort Zermatt gehen", sagte Miriam. Dann verließen sie die Hoernlihütte und dann machten sie sich wieder auf den schwierigen Weg nach unten zum Schwarzsee und zur der Seilbahnstation. Und von dort fuhren sie später mit der Gondel wieder in den Ort Zermatt. Sie verbrachten noch einige schönen Tage in Zermatt. Dann fuhren sie wieder nach Salzburg zurück. Dort verbrachten sie bis 2017 eine schöne Zeit. Jürgen war in dieser Zeit ganz stolz sein Leben im Griff zu haben. Er hatte eine glückliche Beziehung und er hatte beruflichen Erfolg als Fotograf in Salzburg. Er hatte das "richtige Rezept" für die Partnerschaft und beruflichen Erfolg gefunden, dachte er damals hochmütig und konnte in dieser Zeit kaum verstehen, dass einige Partnerschaften kurz vor dem Aus waren und dass einige Personen unverschuldet beruflich zum Beispiel in Berlin gescheitert waren (zum Beispiel in der Coronakrise) und von Hartz 4 leben mussten. Doch die Zeiten änderten sich auch für das Ehepaar Poppe. Denn allmählich machte sich Miriam Wunsch nach einem Kind bemerkbar. Als sie nach einiger Zeit nicht schwanger wurde, wurde sie zunehmend unruhiger und unzufriedener. Und es gab zum ersten Mal zwischen Jürgen und Miriam Konflikte! Und sie gab Jürgen die Schuld, dass sie nicht schwanger wurde! Sie gingen dann erst einmal von Arzt zu Arzt. Als nichts anderes half, unterzog sie sich eine Gebärmutteroperation. Dann wurde sie endlich schwanger. Und als sie endlich dachten, dass sie endlich das Kind kriegen würden, erlitt sie in einem Wiener Krankenhaus eine Fehlgeburt. Das alles führte bei Miriam zu psychischen Problemen und auch teilweise zur sexueller Unlust. Und wieder gab sie Jürgen die Schuld! Es kam zwischen Jürgen und Miriam zu immer größeren Spannungen und auch im Ehebett gab es größere Probleme. Jürgen war dann zunehmend unzufrieden und verschanzte sich dann in seinem Fotostudio in Salzburg und konzentrierte sich auf seine Arbeit. Dann passierte ihm ein folgenschwerer Fehler. Als er einiges Tages ein Auftrag von den Schwarzen Fotomodell Amari bekam, erotische Fotos von ihr zu machen, lud er sie in sein Salzburger Fotostudio ein. Als er dann die Fotos von ihr machte, spürte er seine Erregung. Und als sie dann nebeneinandersassen und plauderten, legte sie plötzlich ihre Hand auf sein Knie. Und wenig später lagen sie auch in den Armen. Und sie verpasste ihm einen Blowjob. Daraufhin trafen sie sich öfters heimlich. Die Affäre mit Amari war für ihn prickelnd. Doch irgendwann schöpfte seine Frau Miriam Verdacht und er bekam ein schlechtes Gewissen. Dann erzählte er es ihr, um sich sein Gewissen zu erleichtern. Dann kam es zu einer riesigen Streiterei. Und er bereute sein Verhalten! Fast wäre es zu einer Trennung zwischen ihnen gekommen. Da er aber den Kontakt zu Amari abbrach, vergab sie ihm später. Und obwohl ihre Beziehung danach noch von gelegentlichen Spannungen geprägt waren, lebten sie die nächsten Jahre zusammen.

Im Jahre 2020 kam dann Corona. Alle Geschäfte, Restaurants, Bars, Clubs, Fitnesscenter, Schwimmbäder, Freizeiteinrichtungen, Kinos, mussten schliessen. Es galt Kontaktbeschränkungen. Und allen Menschen wurden geraten zu Hause bleiben ("Stay At Home"). Jürgen verlor in dieser Zeit alle Foto-Aufträge. Abends sassen Jürgen und Miriam zusammen und redeten darüber. Schon da war er sehr hysterisch. "Wir müssen uns schützen. Nur mit Maske und Abstand", sagte er. "Es werden immer mehr Fälle. Wir werden alle sterben. Es nützt nichts mehr. Wir werden jämmerlich krepieren. Verrecken. Abkratzen! Bald begraben sein. Elendig verrecken!", schrie er oft. Da dachte sie schon damals, dass sein Verhalten etwas komisch war. Dann ging es zeitweise wieder mit seinen überängstlichen Reaktionen. War wohl nur eine Phase, dachte sie. Sie spielten im Lockdown Spiele wie Schach, Mühle, Mensch- Ärgere - Dich - Nicht. Verbrachten auch schöne Zeit im Bett. Dann fing er an immer mehr zu trinken, immer mehr Zeit im Internet zu verbringen und immer mehr Coronanachrichten im Fernseher zu schauen. Auch bemerkte sie bei ihm eine Stimmungsveränderung. Er wurde zunehmend depressiver, manchmal aggressiv und regierte immer mehr furchtsamer auf Coronanachrichten. "Du solltest nicht zu viele Coronanachrichten gucken. Und Dir nicht zu viele Gedanken machen. Es wird alles gut", sagte sie ihm.
"Du darfst da nicht lange draußen rumlaufen! Nein! Ich werde nicht nach draußen gehen! Das ist nur noch mit Maske und Abstand!", schrie er oft. Erst nach einem Monat ging er mal raus. Nur mit Maske und Abstand. Doch dann als er draußen oder in der U-Bahn war, hatte er Angst Gegenstände anzufassen. Auch als er Bus fuhr, hatte er Angst die Sitzbank zu berühren. Zu viele Coronaviren waren seiner Meinung nach dort. "Da kannst Du Dich hinsetzen", sagte noch Miriam, die ihn begleitete hatte. "Nein, ich werde mich da nicht hinsetzen", sagte er. Dann blieb er wieder drin in der Wohnung. Schließlich überredete sie ihn wieder nach draussen zu gehen. Er ging aber nur mit Maske oder Abstand nach draussen. Und hatte ein Desinfektionsmittel dabei, Handschuhe, fünf Arten von Masken... Und wenn er draußen war, ging er nur zum Einkaufen. Zu Hause trennte er das Ehebett mit einem Absperrband von Kopfende bis zum Fussende, so dass beide Ehepartner getrennt schlafen konnten und sich nicht anstecken könnten... Er hörte mindestens 4 Stunden täglich Coronanachrichten. Dann hatte er eines Tages auf einmal Schnupfen und geriet unter Coronaverdacht. Eine Frau von der Gesundheitsbehörde kam ihn dann in seiner Wohnung besuchen. Und dann musste er in seiner Wohnung in Salzburg in Quarantäne bleiben. Er machte dann aber nach Aufforderung des Gesundheitsamtes einen Corona-Test und der war aber zum Glück negativ. Aber er war in seinem Wahn und in den Phasen, in denen er stark alkoholisiert war, immer noch überzeugt, dass er Corona hatte! Und bald sterben würde. Auch tranken beide in dieser Lockdown-Zeit sehr viel Alkohol. Was zur Verschlechterung ihrer Verfassung beitrug! Auch gab es zwischen ihnen immer mehr Streit. Jürgens Eltern versuchten auf sie einzureden. Es brachte nichts. Auch im Jahr 2021 hatte Jürgen immer noch extreme Angst vor Corona. Miriam schickte ihn daraufhin zum Psychologen. Dort diagnostizierte ihn der Psychologe eine Depression, Psychose, Verlust der Realität und Paranoia. Zum Teil auch als Folge der Coronasituation (die er nicht verkraftet hatte) und des übermäßigen Alkoholkonsums. Als Jürgen aber eine Psychotherapie abbrach, immer noch zu viel trank und teilweise aggressiv war, beschloss sie auszuziehen. Sie bekam aber aufgrund der Coronakrise nicht so schnell eine andere Wohnung in Salzburg. Auch änderten sich die Corona-Regeln damals ständig. Dann war 2 G ("Zutritt oder Teilnahme nur für Geimpfte oder Genesene"), dann 3 G ("geimpft, genesen oder getestet"), dann 2 G plus ("Zutritt oder Teilnahme nur für Geimpfte oder Genesene, die zusätzlich getestet sein müssen. Oder für Geboosterte d.h. dreifach Geimpfte.") Dann erfuhren sie, dass Miriams Mutter krank war und deshalb besuchte Miriam sie daraufhin in Bern. Miriam erzählte ihrer Mutter von ihren Eheprobleme und ihrem unerwünschten Kinderwunsch. Miriams Eltern rieten ihr, dass sie es mit Jürgen noch einmal versuchen sollte. Vielleicht würde er sich auch im Laufe der Zeit ändern, wenn Corona vorbei ist, meinten sie damals. Denn die Coronazeit war für viele eine schwierige Zeit und wenn sie ausziehen würde, würde es auch für sie nicht einfach werden. Denn es war in Salzburg in dieser Zeit schwer eine passende Wohnung zu finden! Nach dem Gespräch kam sie wieder zurück und sie versuchten es wieder miteinander. Redeten viel miteinander. Und versuchten auch mehr Verständnis füreinander zu zeigen. Sie gingen sogar auch in eine kleine Salzburger Kirche. Sie erzählten dem Pastor von ihren Eheprobleme und fragten ihn um Rat. Er riet ihnen zusammenzubleiben und ihre Probleme zu lösen. Dann lebten sie wieder zusammen und zeitweise klappte das auch wieder ganz gut. Dann kam die Nachricht, dass Miriams Mutter inzwischen schwer krank war. Miriam wollte am 1.4.2021 sofort mit dem Wagen hinfahren, während Jürgen (eben weil er in dieser Zeit alkoholisiert war) mit dem Zug fahren wollte. "Ich werde mit dem Wagen hinfahren", sagte Miriam. Jürgen war zunächst nicht damit einverstanden, da er selbst den Wagen fahren wollte. Da er jedoch ziemlich betrunken war, wollte sie den Wagen fahren. Sie sagte noch zu ihm": Ich fahre, Du bist zu stark besoffen." Obwohl sie in dieser Zeit auch betrunken war! Dann setzte sich Miriam ans Steuer und Jürgen auf den Beifahrersitz. Obwohl Jürgen wusste, dass sie viel zuviel getrunken hatte! Er dachte noch, dass sie ziemlich erschöpft aussah, als sie am Steuer sass und losfahren wollte. Doch er dachte in besoffenen Zustand": Irgendwie wird sie es wohl doch schaffen." Ein Teil von seinem Inneren wollte sie noch warnen und wollte verhindern, dass sie losfuhr. Doch es war zu spät. Sie drückte aufs Gaspedal und dann fuhren sie los. Nach einer Stunde stritten sie sich unterwegs. Es ging wie immer um den unerfüllten Kinderwunsch. Und Miriam machte Jürgen während der Fahrt schwere Vorwürfe. "Wir haben immer noch kein Kind, weil Du das im Bett nicht hinkriegst!", schrie sie. "Du bist unfruchtbar. Versteh es doch!", antwortete er. "Du hast ja zu selten Zeit für mich. Immer bist Du nur am Arbeiten und hast diese Angst vor Corona, ich vermute Du bist unfruchtbar!", schrie sie.
Dann verlor sie (seltsamerweise) die Kontrolle über den Wagen. Keiner wusste später warum. Sie kam vom Weg ab und raste gegen den Baum.
Sie war sofort tot und er war verletzt. Jürgen musste dann ins Krankenhaus, wurde aber schnell entlassen.
Dann fand Miriams Beerdigung statt. Miriams Eltern, die auch auf der Beerdigung waren, machten Jürgen schwere Vorwürfe. "Du hast unsere Tochter auf dem Gewissen", schrie Miriams Mutter Jürgen an. Daraufhin verließ er die Beerdigung. Und danach brach er den Kontakt zu Miriams Eltern ab. In dieser Zeit verfiel er in Depressionen. Dann hatte er nach wie vor Angst an Corona zu erkranken. Er blieb daher die meisste Zeit in seiner Wohnung. Er verließ seine Wohnung nur zum Einkaufen. Dann ging er zum Psychologen. Sie diagnostizierten ihm dieses Mal eine stärkere Psychose. Sie verordneten ihm eine Therapie, die er zeitweise auch machte. Und die auch ein bisschen was bewirkte. Doch dann steckte er sich im Krankenhaus auch mit Corona an. Und musste wieder in Quarantäne. Und dann verschlechterte auch sein mentaler Zustand wieder. Erst Recht als seine Eltern überraschend starben. Er verfiel wieder stärker dem Alkohol, den Depressionen und verlor dann alle seine Aufträge. Dann seine Wohnung. Und dann war er ein Obdachloser in Salzburg. Er wohnte dann in den Bergen Salzburgs.

Als Jürgen mir seine Geschichte erzählte, war ich zu Tränen gerührt. Und ich verstand, dass er zum Grab seiner Frau wollte.
"Ich werde mir heute länger freinehmen und Dich zum Grab begleiten nach den Essen", teilte ich ihm meinen Entschluss mit.
"Willst Du das wirklich tun? Das wäre sehr nett", sagte er.
"Ja. Ich will", sagte ich.
Dann sagte er, was mich neugierig machte.
"Ich war neulich auf den Friedhof. Da waren so komische Gestalten. Die hatten was am Grab versteckt. Ich hatte einmal geguckt, was sie da versteckt hatten", erzählte er.
Sensationsgierig wie ich war, fragte ich": Was war es denn?"
"Das waren Drogenpäckchen. Die hatten sie an den Grabsteinen versteckt. Ich sah das zufällig, als ich mal neugierig war und nachsah, was da so einige Typen versteckten. Ich war da schnell weggerannt. Wollte damit nichts zu tun haben. Irgendwann war da mal sogar ein Mord passiert. Ich wollte mit der Geschichte mit den Drogen und mit dem Mord auf dem Friedhof nichts zu tun haben", berichtete er weiter.
"Das klingt interessant. Auch ein Grund mitzukommen und sich den Friedhof genauer anzugucken. Ich muss ja Storys finden in meinen Beruf. Vielleicht schreibe ich Mal ein Buch. Vielleicht einen Kriminalroman", sagte ich.
"Auf dem Friedhof findest Du bestimmt eine Story", meinte Jürgen.
"Gehen wir erst essen und dann zum Friedhof?", fragte ich.
"Erst essen. Denn ich habe Hunger", sagte Jürgen.
Dann gingen wir über den Mozartplatz zum Restaurant Mister Rhinaldo in der Limonengasse. Da Jürgen recht ungewaschen und seine Kleidung etwas verdreckt war, suchten wir uns (um bei den anderen Gästen keinen Anstoß zu erregen) draussen einen Tisch. An diesen setzten wir uns einen Augenblick später.
"Was möchtest Du essen?", fragte ich.
Er nahm sich die Karte vom Tisch und blickte dort rein.
"Ich hatte hier schon letztes Mal gegessen. Ich hatte Zanderfilet gegessen. Das kann ich empfehlen", sagte ich.
"Ne. Ich hätte gerne Hähnchenbrustfilet. Das ist mehr so mein Ding", antwortete er. "Und ich mag gerne Weisswein."
Dann kam der Kellner zu uns an den Tisch.
"Grüß Gott. Was darf es sein?", fragte er.
"Ich hätte gerne Zanderfilet mit Gemüse. Und ein mal Hähnchenragout mit Gemüse für meinen Freund. Dazu noch zwei Gläser Weisswein", teilte ich ihm mit.
"Sehr wohl", sagte er.
Nachdem er sich auf einen kleinen Notiz-Block die Bestellung aufgeschrieben hatte, ging er weg. Wir unterhielten uns eine ganze Weile. Während wir uns unterhielten, fiel mein Blick auf die Festung Hohensalzburg in einiger Ferne, auf die Mozartstatue im Zentrum des Mozartplatzes, die von dem Restaurant an der "Limonenstraße" zu sehen war und auf das Salzburg Museum ganz in unserer Nähe. Dann kam der Kellner mit dem Essen auf dem Tablett wieder und stellte das vor uns auf unseren Tisch.
"Hier ist Zanderfilet und Hähnchenragout. Und zwei Mal Weisswein", sagte der Kellner.
Ich bedankte mich. Und dann assen wir.
"Das Essen ist gut", sagte Jürgen.
"Ja. Sehr", antwortete ich.
"Danke auch für die Einladung. Es ist lange her, das ich in einem Restaurant essen war. Bestimmt fünf Jahre her", erzählte er.
"Fünf Jahre her? So lange?", fragte ich erstaunt.
"Ja. Ungefähr fünf Jahre", wiederholte er.
Dann wechselte er das Thema. "Es war ein toller Tag. Sehen wir uns wieder?", fragte er.
"Wir werden uns sicher mal sehen. Ich kann Dir auch helfen, eine Wohnung zu finden", schlug ich vor. "Mehr kann ich nicht tun."
"Willst Du das wirklich tun?", fragte Jürgen.
"Sicher. Ich werde mein Bestes versuchen", antwortete ich.
"Danke. Vielen Dank", sagte er glücklich.
"Eines wollte ich mich nochmal wissen...Du hast Deine Frau sehr geliebt?", fragte ich.
"Ja. Sicher. Wir hatten eine glückliche Beziehung. Wir hatten zwar ab und zu auch mal Streit gehabt. Aber wir hatten uns geliebt. Waren auch zusammengeblieben. Und ich liebe sie immer noch, obwohl sie gestorben ist", erzählte Jürgen.
"Das ist interessant. Ich verstehe das", sagte ich.
"Und wie läuft Deine Beziehung?", wollte Jürgen wissen.
"Naja. Ich habe eine Beziehung mit Gaby. Aber...momentan läuft es nicht so gut. Ich habe einige Probleme mit ihr. Sie wirft mir vor, dass ich so viel arbeite", antwortete ich.
"Oh ja. Verstehe."
"Weisst Du einen Rat? Ich habe eine aktuelle Beziehung mit Gaby, die nicht läuft. Ich überlege sie zu verlassen. Glücklicherweise habe ich mit ihr keine Kinder. Ich treffe mich aber ab und zu mit meiner Exfreundin. Sie hat zwar einen anderen Mann inzwischen seit fünf Jahren, mit dem sie inzwischen auch Probleme hat. Sie stehen kurz vor einer Trennung. Sie sagte, sie hätte keine Lust auf ihren Mann. Aber sie hätte Lust mit mir wieder zusammen zu sein... Aber ich kann ja nur erst eine Beziehung mit ihr eingehen, wenn sie von ihrem Mann getrennt ist. Deshalb hatte ich eher von ihr ein bisschen Abstand genommen und unser Kontakt ist mehr platonisch. Dann hatte ich vor kurzen eine junge Frau kennengelernt. Sie ist ganz nett. Mehr war da aber nicht. Aber mal sehen, wie sich das alles so entwickelt... Ich muss mich entscheiden. Und das fällt mir schwer", erzählte ich.
"Das klingt problematisch. Aber ich hätte es mit der Gaby probiert. Vielleicht läuft es ja besser. Denn mit einer Exfreundin hätte ich nichts mehr angefangen", riet er mir. "Und ob Du das Glück mit der junge Frau findest, weiss man auch nicht."
"Ja. Eben", sagte ich.
"Wie alt ist sie?"
"23 Jahre alt."
"Ein bisschen jung. Mal sehen. Vielleicht ist es echte Liebe. Oder vielleicht will sie nur Geld von Dir. Weiss ich nicht. Das muss man abwarten", sagte er.
"Ja. Danke für Deine Meinung.
Ich werde alles noch einmal überdenken", antwortete ich.
"Ich bedanke nochmal für das Essen", sagte Jürgen.
"Bitte. Bezahlen wir und gehen wir", antwortete ich.
"Hast Du wirklich frei? Ich will Dich nicht von Deiner Arbeit abhalten", sagte er.
"Nein. Es ist gut. Ich habe es mir überlegt. Ich mache heute bis heute Nachmittag frei und arbeite dafür heute Abend und morgen mehr", erklärte ich ihm.
"Das ist gut", sagte er und trank sein Glas Wein aus. "Ich muss sagen, dass der Wein köstlich ist. Ich hab heute noch schon zwei Flaschen Bier getrunken. Und nun trinke ich den Weisswein. Aber ich bin das gewöhnt."
Mir fiel auf, dass er schon ziemlich viel getrunken hatte: Zwei Flaschen Bier und jetzt ein Weisswein! Aber zum Friedhof wird er das wohl schaffen, dachte ich.
Dann kam der Kellner wieder zu uns an den Tisch.
"Darf es noch was sein?", fragte er.
"Nein. Schon gut. Ich will zahlen", sagte ich.
Dann gab er mir die Rechnung von 41,60 Euro, die ich dann bezahlte.
Dann standen wir auf und verließen das Restaurant. Kurz darauf gingen wir durch einige Straßen bis wir dann die Strasse "Rudolkskai" erreichten. Dann gingen wir über die Karoliner Brücke über den Fluss Salzach. Dann waren wir auf der Straße Doktor-Franz-Rehrl-Platz. Dann auf dem Imbergplatz in der Nähe des Verkehrskreisels. Und dann kamen wir auf die Bürglsteinstrasse. Dort fand Jürgen plötzlich neben einem Mülleimer an der Strasse eine halbvolle, offene Sektflasche mit langem Flaschenhals. Er griff sich die Sektflasche und trank eine gewaltigen Schluck daraus.
"Magst Du wirklich daraus trinken? Da hat ein anderer Mensch schon daraus getrunken. Da könnte..." Ich sprach den Satz nicht zuende aus.
Da er besonders grosse Angst vor Corona hatte, wollte ich das Thema Corona nicht mehr erwähnen.
"Das ist nicht so schlimm. Ich bin daran gewöhnt. Ich trinke öfters mal Flaschen, die ich so finde. Oder Brot, das ich zum Beispiel in Mülleimern finde. Ich nehme die Sektflasche mit. Den Rest in der Flasche trinke später", erzählte Jürgen.
"Du trinkst zu viel Alkohol", bemerkte ich.
,"Ach , das ist nicht so schlimm. Ich halt das aus", meinte er.
Dann wechselte ich das Thema.
"Ich weiss ehrlich nicht gesagt, was ich machen soll. Soll ich meine Freundin verlassen und mich auf meine Ex einlassen oder auf die junge Frau?", fragte ich.
"Wenn Du mich fragst, ist Deine Exfreundin verheiratet. Sie soll erst einmal die Probleme mit ihrem Mann lösen. Und Du mit Deiner Frau Gaby. Da gibt es ja auch Partnerschaftberatungen", antwortet Jürgen.
"Stimmt", antwortete ich.
"Ich hab diese Probleme nicht. Ich hab keine Familie, keine Frau. Bei mir ist alles weg. Ich habe nichts und da habe ich nichts zu verlieren. Ich bin bei Null. Und noch weiter runter geht es nicht", sagte er.
"Wie hälst Du die Einsamkeit aus?", fragte ich.
"Ich wohne in den Bergen. Da kenne ich auch einen anderen Obdachlosen, der da lebt. Wir reden mal zusammen und trinken Bier zusammen. Bier hilft mir das alles zu ertragen. Mehr Kontakte habe ich nicht nachdem ich obdachlos geworden bin. Du weiss wie das ist...Hat man Geld, sind viele Leute da. Ist man arm und obdachlos wie ich, sind sie alle weg. Aber ich habe mich damit abgefunden. Ich muss nicht zur Gesellschaft dazugehören", erzählt er.
"Das ist ja sicher schlimm", meinte ich.
Obwohl ich wusste, dass dieser Ausspruch es auch nicht besser machte.
"Nein. Ich bin sowieso bald weg. Da werde ich als steifen, festgefrorenen Frostklumpen irgendwo an der Hausecke enden. Lange werde ich da draussen nicht überleben", sagte er.
Ich war gerührt. Er tat mir leid. Ich wollte ihm nur helfen, dass er wenigstens eine Wohnung findet und dann vom Sozialamt Geld kriegt und nicht mehr hier als Obdachloser durch die Straßen läuft.
Wir gingen dann gerade die
Bürglsteinstrasse runter, als ich ungeduldig wurde.
"Ist es noch weit? Wollen wir uns nicht ein Taxi nehmen?", fragte ich.
"Brauchen wir nicht. Den Friedhof erreichen wir zu Fuss. Du schaffst es nicht zu laufen?", meinte er.
"Es ist sehr weit", antwortete ich.
"Es dauert nicht so lange. Nur ein paar Straßen. Etwas spazieren gehen schadet nicht", sagte Jürgen.
Ich wollte schon fast vorschlagen, nach Hause zu gehen. Da sah ich am Ende der Strasse einen Wagen. Er war dunkelblau. Zuerst fuhr er ruhig. Dann fuhr er mit einer großen Geschwindigkeit auf uns zu.
"Schnell", schrie ich. "Zur Seite." Dann liefen wir schnell in ein Hauseinfahrt rein. Dann fuhr der Wagen weiter. Dann liefen wir aus dem Hauseingang wieder auf den Weg und sahen, wie der Wagen weiter fuhr, bis er in einer Kurve verschwunden war.
"Wer war das?", fragte ich.
"Weiss ich nicht. Kann auch ein Betrunkener sein", entgegnete er.
"Einige Jugendliche oder Kriminelle oder ein Verrückter?"
"War ein besoffener Jugendlicher. Vermutlich", antwortete Jürgen.
"Wollen wir nicht besser verschwinden?", fragte ich.
"Wir gehen weiter. Ich habe keine Angst. Ich habe es mir angewöhnt, keine Angst zu haben. Wir sind ja Männer und keine Weicheier", sagte er.
"Ich bin auch nicht ängstlich. Gehen wir weiter", entgegnete ich.
Dann hielt er die Sektflasche mit dem Flaschenhals in Richtung der Strasse, wo dort der Wagen verschwunden war. Und er tat so, als hätte er statt dieser Sektflasche einen Revolver in der Hand.
"Bumm! Bumm! Bumm! Abschießen müsste man den! Bumm! Bumm! Bumm! Hihihi", schrie er.
Er sah mit seiner Coronaschutzmaske, die er immer noch auf dem Gesicht trug wie ein Ganove aus, der schoss, dachte ich. Man würde ihn auch mit der Maske auf dem Gesicht für einen Verrückten oder für einen Ganoven halten, denn Corona war ja in dieser Zeit schon ziemlich vorbei. Denn wir waren nicht mehr im Jahre 2020 und 2021, sondern im Jahr 2041.
Ich wollte schon gerade etwas sagen, dass er diese Dummheiten lassen sollte. Doch dann beruhigte er sich wieder.
Dann gingen wir weiter die Straße runter in Richtung Friedhof. Ich wollte ihm helfen. Aber auch Ideen sammeln für mein künftiges Buch, dass ich vielleicht mal schreiben wollte. Nachdem wir eine Weile die Bürglsteinstrasse runtergegangen waren, zeigte er plötzlich mit seiner dreiviertel leeren Sektflasche auf ein kleines Lebensmittelgeschäft am Straßenrand.
"Da ist ein Geschäft. Da gibt es auch Alkohol. Ich werde mir was kaufen. Ich hab noch einige Euros in der Tasche", sagte er.
"Aber Du hast doch genug Alkohol getrunken", wies ich darauf hin.
"Ich kaufe mir was für morgen", sagte er. Willst Du auch was?" "Nein", antwortete ich.
"Dann warte hier", sagte er und stellte seine dreiviertel leere Sektflasche auf den Boden. Dann ging er über die Strasse und verschwand ein Augenblick später mit seinem Rucksack auf dem Rücken in dem Lebensmittelgeschäft. Ich wartete dann einige Minuten auf ihn. Dann kam er mit zwei kleinen Chantreflaschen wieder. Er ging auf mich zu und reichte mir eine davon.
"Ich hab zwei Flaschen Chantre gekauft. Eine ist für Dich", sagte er.
Doch ich lehnte sie ab.
"Danke. Ich trinke nicht viel Alkohol. Ich muss zu Hause noch schreiben....an meinen Artikeln für die Zeitungen. Ich will nicht angetrunken sein. Denn ich muss mich sehr konzentrieren", sagte ich.
"Dann trinke ich was", antwortete er.
Er steckte die eine Chantreflasche, die er mir geben wollte, in seine Jackentasche. Die andere öffnete er und trank daraus einige Schlucke. Es schien, als ob er fast die ganze Flasche austrank. Dann schloss er die Flasche und steckte sie ebenfalls in seine Jackentasche. Dann holte er sein Handy, dessen Display ziemlich beschädigt war und zahlreiche Risse hatte, aus der Hosentasche heraus, machte es an und klickte auf "Maps." Ich blickte auf sein Handy, das nicht gerade das billigste war.
"Du besitzt ein Handy?", fragte ich.
"Ja. Damit mache ich Fotos. Das hatte mir eine Tante in Berlin geschenkt vor vier Jahren. Die ist aber verstorben vor drei Jahren und die Erben hatten ihr Vermögen untereinander aufgeteilt. Für mich war nichts mehr übrig. Ich hab aber zum Glück das Handy. Das verstecke ich gut, so dass mir das keiner klauen kann", sagte er.
Er suchte in Google Maps herum. Dann zeigte er mir, wo überall er sein Lager aufgeschlagen hatte. "Ich hatte eine Unterkunft in der Schwarzenbergalm im Wald gehabt. Hatte da mir aus Ästen mir einen kleinen Schlafplatz gebaut. Dann am Oberwischl. Heute habe ich in der Nähe des Aussichtsturm Gaisberg mir eine kleine Übernachtungsunterkunft aus Zweigen und Brettern gebaut. Dort traf ich mal einen anderen Obdachlosen. Der war mal Klempner. Hatte Corona gehabt, danach hatte er Post-Covid und weil er nicht mehr arbeiten könnte, war er dann irgendwann obdachlos gewesen. Der sagte zu mir: Es kann jeder verrückt werden oder obdachlos werden. Jeder Mensch hat das Zeug dazu. Das weiss jeder, der was von Psychologie versteht", erzählte Jürgen mir.
"Ja. Das ist interessant."
Dann griff er die Sektflasche und trank daraus einen kräftigen Schluck. Ich merkte, dass er angetrunken war. Laufen oder gehen konnte er aber.
Irgendwann erreichten wir die Straße Gersberg. Dann Gaisberg. Dann gingen wir noch andere Wege entlang.



Etwa gegen 15:45 h erreichten wir den Friedhof Am Waldkreuz. Wir gingen an dem Zaun entlang zu einem Tor. Dort war ein kleines Häuschen, was geschlossen war. Wir gingen dann eine kleine Straße entlang. Dann gingen wir einen schmalen Weg entlang, der nach links führte. Links und rechts am Weg waren überall Gräber. Insgesamt machte der Friedhof einen traurigen Eindruck. Die Bäume hatten im Novembermonat gelbe Blätter oder hatten ihre Blätter inzwischen fast vollständig verloren. Fast alle Gräber, die am Weg rechts und links waren mit gelben Laub bedeckt. Es gab mur wenige Gräber, bei denen das Laub (vermutlich von einigen Besuchern) beseitigt worden war. Viele Gräber waren auch ziemlich verwildert. Die Bestecke auf den Gräbern (wenn es welche gab) waren teilweise vergammelt. Das Unkraut ragte zwischen dem Laub hervor, bei einigen Gräbern ragten Stein - oder Tonengel aus dem Laub, Kerzen lagen teilweise umgekippt auf den Gräbern. Einige Kreuze waren auch umgekippt. Das ging wohl auf das Konto von Randalierern, die hier auf dem Friedhof ihr Unwesen trieben. Der Friedhof sieht ja gruselig aus, dachte ich. Wir gingen dann den Weg weiter runter, dann bogen wir einen Weg nach rechts ab. Wir marschierten eine ganze Weile über den trostlosen Friedhof. Dann erreichten wir das Grab seiner Frau. Jürgen blieb plötzlich stehen. Auch ich blieb stehen.
"Das ist das Grab meiner Frau", sagte er.
Ich betrachtete das Grab. Da war ein kleiner Stein mit dem Namen Miriam Poppe. Davor lagen einige vertrocknete Blumen. Einige Kerzen. Ein kleiner Plastikengel. Das meiste war von Laub bedeckt, der von einem Eichenbaum kam, der hinter dem Grab stand. Jürgen stellte die Sektflasche, die er in der rechten Hand hatte, auf den Boden. Dann stellte er sich einen Augenblick später vor das Grab seiner Frau, faltete die Hände und sprach ein kurzes Gebet. Dann sagte er zu mir": Sie ist nur 32 Jahre alt geworden. Vorher dachte ich, dass alles gut wird. Dann bumm. Da war 's aus."
Ich erinnerte mich, dass er mir erzählte, dass sie die Kontrolle über den Wagen verloren hatte. Seltsamer Weise. Und ich fragte mich: War es wirklich so? Vielleicht wollte sie Selbstmord machen oder es kam zum Streit und sie verlor die Kontrolle über den Wagen oder vielleicht hat Jürgen einen größeren Anteil der Schuld als man denkt...? Was wirklich geschah wusste nur Jürgen selber. Und ich wollte ihn auch danach nicht fragen. Erst Recht, weil er si traurig war.
"Ja. Das ist schlimm, dass einige Leute so früh aus dem Leben gerissen werden. Aber...irgendwann landen wir alle in der Grube", sagte Jürgen.
Dann holte er aus seinem Rucksack einen Kastanienmann raus, den er mit gesammelten Kastanien und Streichhölzern selbst für seine Frau gebaut hatte und legte ihn aufs Grab. Er wischte sich eine Träne von seinem rechten Auge ab. Ich stand nur neben dem Grab und beobachtete alles. Ich holte auch mein Handy und der Tasche und machte einige Fotos von der Umgebung und schnell einige Selfievideos.
"Ich hoffe, es ist okay, wenn ich ein paar Fotos mache. Zu meiner Erinnerung", sagte ich.
"Mach Fotos wie Du willst. Ist okay", antwortete er.
Dann holte Jürgen seinen Chantre aus der Tasche und nahm einige Schlucke aus der Flasche.
"Ja. Ja. So ist es mit den Träumen. Sie verkleinern sich oft auf Mausgröße. Weisst Du was? Meine beste Freunde sind die Ratten. Die Mäuse. Die Spinnen, Käfer. Die Eichhörnchen. Die Vögel. Die Grillen im Sommer. Mit denen unterhalte ich mich manchmal. Diese sind wenigstens nicht so grausam wie Menschen. Man muss ja nur betrachten, was alles im zweiten Weltkrieg geschah. Und was im Ukraine-Krieg alles zerstört wurde! Dann weiss man Bescheid, wozu der Mensch fähig ist!", erzählte er etwas zornig.
Ich sagte aber nur": Du trinkst zu viel."
"Ich werde meinen Alkoholkonsum reduzieren. Später. Aber Du weisst, dass ich nie so richtig über den Tod meiner Frau hinweggekommen bin", sagte er.
Dann trank er wieder einen Schluck aus seiner Chantre-Flasche. Und noch einen. Dann steckte er diese wieder in seine Jackentasche und griff sich die Sektflasche, der er am Grab seiner Frau auf den Boden gestellt hatte. Diese wollte er unbedingt noch später austrinken!
Dann hörten wir plötzlich ein Geräusch. Es war ein Rascheln. Es kam aus den Büschen, die hinter den Gräbern standen. Wir erschraken. Was war das?
"Was ist das?", flüsterte ich.
Jürgen hielt kurz inne. Wir lauschten. Dann blickten wir nach rechts und sahen einen Mann den Weg entlang gehen. Er blickte sich mehrmals nach rechts und links um. Er wirkte so, als ob er etwas suchen würde. Ich guckte genauer hin und erschrak, als ich auf dem ersten Blick eine Ähnlichkeit mit dem Mann mit der Sonnenbrille feststellte. Was sucht er hier?, fragte ich. Auf dem zweiten Blick war ich mir nicht so sicher. Vermutlich weil der Mann zu weit entfernt war.
"Wer ist das? Könnte das der Mann mit der Sonnenbrille sein, den wir vor Bäckerei gesehen haben?", fragte ich.
Jürgen verzog das Gesicht und schüttelte den Kopf.
"Ich weiss nicht. Er trägt keine Sonnenbrille jetzt. Schwierig zu sagen. Ich glaube nicht, dass er es ist", lallte er und trank einen Schluck aus seiner Sektflasche.
Ich lief zu einem Grab mit einem größeren Grabstein, auf dem sich ein Steinkreuz befand.
"Hier verstecken wir uns", flüsterte ich. Dann liefen wir schnell hinter den Grabstein und versteckten uns dort. Hinter dem Grabstein versteckt, verhielten wir uns still und beobachteten den Mann. Er schien uns aus der Ferne nicht gesehen zu haben. Er ging weiterhin den Weg runter in unserer Nähe. Dann blieb er stehen und lief plötzlich (von uns aus gesehen) auf die rechte Seite des Weges. Und dann blieb er stehen. Eine ganze Weile stand er dort. Und guckte in Richtung der Büsche hinter den Gräbern. "Wohin schaut er?", fragte Jürgen.
"Hat er uns gesehen?", fragte ich.
"W...Weiss nicht", lallte er.
Mist. Er ist ziemlich betrunken. Jürgen wird uns wohl in Schwierigkeiten bringen, dachte ich.
"Sei leise", flüsterte ich.
Dann blickte der Mann auf dem Weg plötzlich zu uns hinter dem Grabstein rüber. Und dann lief er in unsere Richtung.
"Er hat uns gesehen! Wir müssen weg", schrie ich.
Wir liefen dann vom Grab weg zu den gelben Büschen und Bäumen. Dort kämpften wir durch die Büsche, Äste und Zweige, die viele ihrer braunen oder gelben Blätter verloren hatten. Ich bemerkte, dass es Jürgen schwer fiel schnell zu laufen, da er ziemlich alkoholisiert war. Und hinter uns verfolgte uns dieser Mann! Dann sah ich vor uns weitere Gräber mit Steinkreuze oder rechteckigen oder runden Grabsteinen. Und in weiter Ferne einen Weg.
"Laufen wir weiter. Da vorne ist der Weg", schrie ich. Da ich nicht an den Gräbern vorbeikam, musste ich seitlich (so dort es schmal war) über ein Grab springen. Und dann noch über ein Grab. Plötzlich hörte ich hinter mir einen Schrei. Ich drehte mich um und sah, dass Jürgen mit seinem Fuss im Grab eingesackt war. Er wollte wohl rüberspringen, hatte es aber nicht geschafft und da war er mit dem Fuss auf das Grab getreten. Und nun war das Grab eingefallen. Vielleicht weil auch der Boden morastig zu sein schien.
"Ich bin eingesackt! Hilf mir!", schrie er.
Ich lief zu ihm, nahm seinen Arm und zog ihn aus dem Schlamm. Dann kam kam der Mann aus den Gebüsch hervor. Er ging auf uns zu, wollte gerade Jürgen packen, als er mit seinem Fuss auf das Grab trat und dort einsackte. Er schrie, verlor das Gleichgewicht und fiel zu Boden, mit dem Kopf auf den unteren Teil des Grabsteins. Stöhnend vor Schmerz blieb er liegen. Dann richtete er sich langsam auf und wollte gerade auf uns laufen, als ich auf dem Boden ein Stück vom Ast fand, es aufhob und es ihm auf den Kopf schlug. Er fiel zu Boden.
"Weg hier", schrie ich zu Jürgen. Doch Jürgen war ziemlich besoffen.
"Hoffentlich hat er kein Corona! Hoffentlich hatte er mich nicht angefasst! Ich werde jeden, der mich anfasst, abknallen! ES IST CORONA und da muss jeder Rücksicht nehmen!", lallte er laut und hielt die Sektflasche, die er immer noch in der Hand hielt, zuerst hoch. Dann zielte er mit dem Flaschenhals auf den Mann, der am Grabstein auf dem Boden lag. Dieser bewegte sich auf dem Boden nur langsam. Fast schien es so, als wollte er aufstehen.
"Du willst mir ans Leder? Ha! Hihihi! Coronakrise! Ich hab kein Geld! Nur Maske und Abstand! Abballern! Bamm! Bamm! Bamm! Bamm! Peng! Peng! Peng!", schrie Jürgen ziemlich betrunken.
"Los. Machen wir, dass wir hier wegkommen", schrie ich.
Dann rannten wir so schnell wie wir konnten von den Gräbern und von dem Mann am Grabstein weg auf den Weg, der über den Friedhof führte. Als wir auf den Weg waren, sahen wir rechts hinter uns in der Ferne andere Männer. Als sie uns sahen, rannten sie uns sofort hinterher.
"Hey! Stehenbleiben!", rief noch einer.
Wir rannten so schnell wie möglich den Weg runter, der irgendwo nach rechts an den Bäumen vorbei irgendwohin führte....Wir rannten und rannten. Jürgen drohte mehrfach zu stolpern, weil er sehr angetrunken war. Dann sah ich, dass es an dem Weg an der Stelle, an der er nach rechts abbog, wieder einen anderen Weg gab, der nach links führte. Ich sah das Kleine Schild mit der Aufschrift "zum Ausgang" an diesem Weg. Wir hatten das gleich geschafft! Gerade als wir auf den Weg, der nach links führte, liefen, hörten wir einen Mann hinter uns brüllen.
"Hey. Stehenbleiben! Wir kriegen Euch!", schrie einer der Männer, die uns verfolgten. Wir rannten weiter. Dann sahen wir in der Ferne ein Ehepaar in Richtung Ausgang marschieren. Jürgen blieb kurz stehen.
"Ich kann nicht mehr! Ich schaff 's nicht!", jammerte er.
Ich schrie": Du musst! Du musst! Schnell", schrie ich.
Doch er konnte nicht mehr. Dann hörte ich die Verfolger näher kommen. Sofort schrie ich um Hilfe. Einmal. Zweimal.
Ich sah wie das Ehepaar sich zu und umdrehte. Ich griff Jürgens Hand.
"Los weiter. Wir haben das gleich geschafft", schrie ich.
Dann nahm Jürgen seine letzte Kräfte beisammen und wir liefen weiter. Dann erschienen die Verfolger etwa 20 Meter hinter uns auf dem Weg. Sie blieben kurz stehen ohne etwas zu sagen. Jürgen richtete den Flaschenhals auf die Leute und sagte": Coronakrise! Peng! Peng! Peng! Bumm! Bumm!"
Als die Verfolger das Ehepaar in der Ferne sahen und Jürgen mit seiner Flasche, liefen sie in entgegengesetzter Richtung plötzlich davon. Ich verstand nicht so ganz warum.
"Das gibt es nicht. Die sind weg", sagte ich.
Ich dachte nach. Vermutlich hielten sie Jürgens Flaschenhals für eine Waffe oder sie befürchteten, dass das Ehepaar die Polizei rufen würde ...Warum auch immer. Was war schon klar, dachte ich.
Und dann liefen wir so schnell wie es uns möglich war (weil Jürgen angetrunken war) zum Ausgang. Als wir den Ausgang erreichten, war das Ehepaar inzwischen weg.
"Das Ehepaar ist weg", sagte ichWir waren aber erleichtert die mysteriösen Verfolger abgeschüttelt zu haben. Wir standen gerade vor dem Friedhofseingang, als wir von der Strasse einen jungen Mann auf uns zukommen sahen.
"W-w-w-wer ist das?", fragte Jürgen erschrocken.
"Vermutlich gehörte er zur "Friedhofs-Bande, die uns auf dem Friedhof verfolgt hatte. Halt die Sektflasche bereit. Wir müssen uns verteidigen", zischte ich ihm zu.
Jürgen hielt die Sektflasche hoch und ich griff mir mein Schlüsselbund, den ich in der Tasche hatte. Ich war entschlossen mich zu wehren! Dann schrie ich drohend zu dem Mann": KOMM RUHIG NÄHER! WENN DU STRESS WILLST, HAUEN WIR DICH UM! WIR HABEN WAFFEN! WIR KICKEN DICH WEG!" Und ich setzte ein drohendes Psychopathen-Gesicht auf, um ihn abzuschrecken.
Das zeigte offensichtlich Wirkung. Der Mann, der auf und zu ging, bekam Angst, drehte sich um und rannte links am Zaun vor dem Friedhof davon. Als er weggerannt war, sagte ich": Dem haben wir es gezeigt! Ich hätte ihm den Schlüsselbund und mein Handy ins Gesicht geworfen!"
"U-u-und ich hätte ihm die Sektflasche a-a-auf den Kopf gehauen! Dann wäre er erledigt gewesen!", lallte er betrunken.
"Endlich dem Alptraum entronnen", bemerkte ich.
"Ja. W-w-wir haben das g-g-g geschafft", stammelte Jürgen.
"Waren die Verfolger auf dem Friedhof die Leute, die wir heute morgen von dem Bäckereifenster beobachtet hatten? Und könnte der eine schlanke Mann, der uns auf den Weg verfolgt hatte und mit dem Fuss am Grab eingesunken war derjenige Mann sein, der mir das Portemonnaie klauen wollte?", fragte ich Jürgen.
Denn ich glaubte zu 90 prozentiger Wahrscheinlichkeit nicht, dass es die Männer waren, die wir heute morgen von dem Fenster der Bäckerei aus beobachtet hatten. Aber man wusste ja nie.
"N-n-nein", sagte Jürgen.
Das war das letzte vernünftige Wort, was er sagen konnte.
Denn Jürgen war inzwischen ziemlich heftig betrunken. Und wieder nahm er einen kräftigen Schluck aus der Sektflasche. Doch damit war es nicht genug. Er nahm noch seinen Chantre aus der Tasche und nahm wieder einige gewaltige Schlucke ...Als ich ihm sagte, dass er mit dem Trinken aufhören sollte, reagierte er nicht. Er trank weiter. Und dann humpelte oder wankte er mehr als dass er gehen konnte weiter die Straße runter. Ich schlug vor ein Taxi für uns zu rufen. Doch er wollte nicht.
"Wer könnten die Männer gewesen sein. Glaubst Du wirklich nicht, das es die Männer waren, die wir heute Vormittag aus dem Fenster der Bäckerei gesehen hatten?", fragte ich noch einmal.
Er antwortete nicht mehr darauf. Ich vermutete, dass uns einige randalierende, junge Leute verfolgt hatten. Oder es waren solche Drogendealer, die auf dem Friedhof irgendwelche Drogen an irgendwelche Leute verkauften. Aber das waren nur Vermutungen. Wer diese Leute waren, werden wir nie erfahren. Es war ja auch nicht auszuschließen, dass es doch Freunde von den Leuten waren, die wir aus dem Bäckereifenster gesehen hatten. Wer wusste das von uns schon?
Wir gingen schleppend weiter bis zum Doktor-Franz-Rehrl-Platz. Dort war Jürgen so betrunken, dass er kaum noch laufen konnte. Und er redete noch eine Menge Unsinn. Wir gingen wenig später gerade über die Karoliner Brücke, als er seine Sektflasche nahm, seine Maske herunterzog und den Rest daraus austrank. Fast wollte ich ihm die Flasche wegnehmen, als ein Ehepaar uns entgegenkam. Sowohl die Ehefrau als auch der Ehemann trugen keine Maske. Und Gerade sie auf uns zukamen, torkelte und trank Jürgen aus seiner Flasche und rempelte sie versehentlich an.
"Hey, Du Spinner", schrie der Mann ärgerlich zu Jürgen.
Dann gingen sie weiter. Dann drehte Jürgen völlig durch. Er war geistig plötzlich wieder im Coronajahr 2020. Er setzte seine Maske auf, richtete den Flaschenhals auf das Ehepaar und sagte": H-h-hey! Hey! Hey! E-e-es ist Coronakrise! Wir m-müssen Maske und Abstand halten! Und ihr? Ihr tragt keine Maske!"
Dann rief der Mann ihm zu": Corona war 2020 und 2021 heftig. Jetzt ist das mit Corona ein bisschen vorbei. Bist Du verrückt?"
Doch Jürgen wollte wohl nicht hören, was er sagte. Er richtete weiterhin den Sekt-Flaschenhals auf das Ehepaar. Und wurde aggressiv.
"Hey! Es ist Corona! I-i-ihr müsst Maske tragen! A-a-ab sofort! Oder ich baller Euch ab!", schrie Jürgen.
Dann schrie der Ehemann": Willst Du mich bedrohen? Ich ruf die Polizei!", schrie er. Dann holte er sein Handy aus der Tasche und tippte die Rufnummer der Polizei.
"S-s-sie sollen selber wissen, wie es ist Corona zu haben!", schrie Jürgen.
Wieder zielte er mit dem Flaschenhals der Sektflasche auf das Ehepaar und tat so, als ob er schießen würden.
"Keine Maske a-a-auf! Peng! Peng! Peng! Peng! Bumm! Bumm!", schrie Jürgen.
Da der Mann, den er angerempelt hat, die Polizei rief, wurde ich panisch. Und sauer.
"Komm jetzt! Wir hauen ab! Los!", schrie ich.
Dann nahm ich seinen Arm und gingen langsam in Richtung Rudolkskai. Als wir die Strasse Rudolfskai erreicht hatten, riss sich Jürgen von mir los. Wieder hielt er seine leere Sektflasche hoch. Und dann zielte er mit dem Sekt-Flaschenhals wie mit einer Pistole auf vorbeigehende Passanten in der Ferne. Oder hielt sie wie eine Pistole in die Luft. Seine Coronaschutz-Maske hat er aufgesetzt, die ein Grossteil seines Gesichts wie Mund und Nase verdeckte. Fast sah er aus wie ein Gangster, dachte ich. Und wieder schrie er": Es ist Corona! Nur Maske und Abstand! Peng! Peng! Peng! Peng! Bumm! B-b-b-bumm!", schrie er.
Jetzt reicht es nochmal. Ich werde von ihm Abstand nehmen, er ist ja völlig durchgeknallt, dachte ich. Dann sah ich plötzlich den grauen Wagen, den ich an diesem Morgen aus dem Fenster der Bäckerei gesehen hatte. Er stand auf der anderen Strassenseite der Straße Rudolfskai. Direkt vor der Bank. Und in dem grauen Wagen waren vier Männer. Es war genau dieser Wagen und es waren genau die vier Männer, die Jürgen und ich morgens an diesem Tag aus dem Bäckereifenster gesehen hatten! Und da sie direkt vor der Bank auf der anderen Strassenseite geparkt hatten, konnte ich erahnen, was sie vorhatten! Sie planten einen Banküberfall! Ich handelte sofort und zischte leise zu Jürgen": Los. Weg hier. Sie machen einen Banküberfall. Wir müssen uns verstecken. Schnell!" Doch er reagierte nicht und lallte vor sich hin und hielt immer noch die Sektflasche wie eine Pistole in der Hand. Dann sah ich einen Stromkasten auf dem Gehweg. Ich wusste: Dahinter konnten wir uns verstecken! Ich packte ihn am Arm und zog ihn schnell bis zu den Stromkasten. Dann bückten wir uns und versteckten uns hinter dem Stromkasten. Jürgen bekam nicht viel mit, da er zu betrunken war. Aber ich beobachtete die Szenerie, die sich vor unseren Augen abspielte ganz genau. Ich wartete einige Minuten. Dann ging alles ganz schnell. Bei dem geparkten Wagen gingen plötzlich die Wagentüren auf. Blitzschnell stürmten vier Männer mit Maske und geladenen Pistolen aus dem Wagen und liefen schnell über die Straße in die Bank. Einige Fußgänger, die vorbeigingen, erschraken. Eine Frau schrie.


Günther Habicht sass in der Bank hinter dem Banktresen und zählte das Geld. Er hatte gerade an diesem Schalter einen Kunden vor sich, dem er das Geld auszahlen wollte. Hinter dem Kunden warteten noch drei andere Kunden in der Warteschlange.
Dann stürmten blitzschnell vier bewaffnete Männer mit schwarzer Maske durch den Eingang in die Bank. Günther Habicht war starr vor Entsetzen. Er riss den Mund auf und liess das Geld für den Kunden, dass er in der Hand hatte und gerade auszahlen wollte, fallen. Auch die Kunden waren starr vor Entsetzen. Eine Frau schrie. Dann stürmten der erste, hochgewachsene Bankräuber zu Günther Habicht und richtete seine Pistole auf seinen Kopf.
"SOFORT GELD HER! ES IST EIN ÜBERFALL! ALLES IN DIE TASCHE ODER IN DIE TÜTEN! ABER DALLI!", schrie er.
"Ja! Ich tu 's", sagte er ängstlich und blickte in ein völlig maskiertes Gesicht.
Der andere, kleinere Bankräuber mit der schwarzen Maske im Gesicht stürmte mit gezogener Pistole zu seinem Kollegen Jochen Heiner, der am anderen Schalter arbeitete. Er hielt ihm auch die Pistole an den Kopf.
"Auch Sie. Alles Geld bitte in Tüten. Aber dalli", schrie er. Der Bankmitarbeiter Heiner gehorchte.
Ein Kunde an der Schlange konnte es nicht fassen. Er Begriff nicht was passierte.
"Was ist los?", fragte er.
Sofort ging einer der maskieren Bankräuber zu ihn und schlug ihn mit der Pistole nieder. Dann trat er ihm mehrmals in den Magen. Er sackte zusammen, blieb am Boden liegen und stöhnte vor Schmerzen. Dann hielt er ihm eine Pistole an den Kopf.
"Eine falsche Bewegung und Du bist tot", schrie der andere, cholerische Bankräuber zu ihm.
Eine anderer Bankangestellter, der Hilfe holen wollte, griff zu seinem Handy, und wollte gerade nach hinten in einen Raum laufen. Als der cholerische Bankräuber das sah, richtete er sofort die Pistole auf ihn und schoss ihm ins Bein.
Der verletzte Bankangestellte sackte an der Wand zusammen. Er blutete aus der Wunde am Bein.
"ES IST EIN ÜBERFALL! ALLE RUNTER! SOFORT!", schrie der der hochgewachsene Mann.
"HILFE. ICH WILL NICHT STERBEN!", schrie eine Frau, die sich ängstlich auf den Boden gelegt hat.
"LOS RUNTER! AUF DEN BODEN! ALLE! ICH HOFFE RS SIND ALLE UNTEN!", wiederholte er.
Dann gingen alle auf dem Boden. Und zitterten. Der Bankangestellte Günther Habicht packte das Geld - insgesamt fast 100.000 Euro - in Säcke. Auch der andere Bankangestellte Jochen Heiner packte viel Geld in einen Sack.
"SO IST DAS GUT! WENN IHR AUF DEM BODEN LIEGT UND TUT WAS ICH SAGE, WIRD EUCH NICHTS PASSIEREN!", schrie der hochgewachsene Mann. "WIR NEHMEN NUR DAS GELD UND VERSCHWINDEN! Hahahaha!"
Die beiden Bankangestellten am Schalter packten noch immer ähnlich das Geld in die Tüten, die sie für das Geld aus dem Schrank geholt hatten, ein.
Dann plötzlich hörten sie alle Polizeisirenen. Die Bankräuber gerieten in Panik.
"MIST! SCHNELLER! DIE POLIZEI KOMMT! PACKT SCHNELLER EIN!", schrie der hochgewachsene Bankräuber zu den Bankangestellten.
"WIR SCHAFFEN ES NICHT! WIR MÜSSEN DAS GELD HIERLASSEN UND ABHAUEN!", schrie der kleinere Bankräuber.
"DAS SCHAFFEN WIR! PACK EIN", der cholerische Bankräuber.
"Wir sollten verschwinden", sprach der vierte, eher zurückhaltende Bankräuber. "Wir schaffen es nicht."
"ER HAT RECHT. LASST UNS VERSCHWINDEN", sagte der kleinere Bankräuber.

Ich hockte immer noch mit Jürgen hinter dem Stromkasten und hörte die Polizeisirenen.
Dann kamen ein, zwei, drei Polizeiwagen mit Blaulicht und Sirene an und hielten im gewissen Abstand zur Bank auf der Strasse. Auch drei Wagen des Einsatzkommandos waren da. (Vermutlich wurden sie von irgendjemanden, der etwas Verdächtiges gesehen oder gehört hatte, über den Banküberfall informiert - anders liess sich das nicht erklären, dass sie so schnell vor Ort waren.) Dann stiegen die Polizisten mit gehobener Pistole auf den drei Wagen. Auch Personen der Sondereinheit stiegen aus ihre Wagen. Sie gingen hinter den Polizeiwagen und Wagen der Sondereinheit in Deckung. Ein Polizist rief durch einen Lautsprecher": HIER IST DIE POLIZEI! KOMMEN SIE MIT GEHOBENEN HÄNDEN RAUS! ODER WIR SCHIESSEN!"
Zunächst reagierten sie nicht.
Dann ertönte eine neue Lautsprecher-Ansage.
"KOMMEN SIE RAUS AUS DER BANK! DAS HAUS IST UMSTELLT! SIE KÖNNEN NICHT ENTKOMMEN! WENN SIE NICHT MITGEHOBENEN HÄNDEN RAUSKOMNEN WERDEN WIR DIE BANK STÜRMEN!", schrie der Polizist mit dem Lautsprecher.
Dann ließen wenig später drei der Bankräuber ihre Pistolen fallen und kamen mit erhobenen Händen raus. Sofort liefen bewaffnete Beamte des Sondereinheit zu den Bankräubern, überwältigen sie und legten sie auf den Boden.
Dann schrie ein Polizist": Es fehlt noch einer. Einer ist noch drin."
Dann stürmten mehrere Personen der Sondereinheit die Bank. Und nach kurzer Zeit wurde der letzte Bankräuber - derjenige Bankräuber, der hochgewachsen war - überwältigt und nach draussen gebracht. Und er wurde später wie auch alle anderen Bankräuber zu den Polizeiwagen gebracht, nachdem man ihnen Handschellen angelegt hatte. Inzwischen hatten sich immer mehr Schaulustige versammelt. Auch einige Reporter, die Fotos machten.
Dann geschah etwas Unfassbares. Jürgen stand auf mit seiner Sektflasche in der Hand plötzlich auf. Er kam aus seinem Versteck mit Maske, lief auf die Strasse und dann auf die Polizisten zu, richtete den Flaschenhals auf die Polizisten und tat so, als würde er auf die Polizisten schiessen wollen.
"CORONAKRISE! KEIN GELD! NUR MASKE UND ABSTAND! HIHIHI H-H-HIER BIN ICH!!", schrie Jürgen betrunken. Offenbar wusste er nicht so ganz, was er tat.
"CORONAKRISE. NUR MASKE UND ABSTAND! ICH BALLER EUCH AB!", schrie Jürgen besoffen.
Die Polizeibeamten reagierten sofort und zielten mit ihren Pistolen auf Jürgen. Da sie ihn für einen bewaffneten Bankräuber hielten, waren sie sofort bereit zu schießen.
"WAFFE SOFORT FALLENLASSEN. HÄNDE HINTER DEN KOPF!", schrie ein Polizist per Lautsprecher.
Ich schrie noch": BITTE NICHT SCHIESSEN!"
Ich wollte gerade noch was sagen. War aber zu geschockt.
Doch dann schrie Jürgen": Hier bin i-i-ich. Coronakrise. Mich w-w-will sowieso keiner mehr in der Welt. Hihihi. Ihr tragt keine Maske und Abstand. HIER! ICH BALLER EUCH AB! KNALL EUCH AB! BUMM. BUMM. BUMM. Ich baller Euch ab. Knall Euch ab. BUMM! BUMM, BUMM! Bumm."
Dann zielte er mit dem Flaschenhals direkter auf die Polizisten und tat so, als ob er schießen wollte. Die Polisten sahen vor sich nur einen Mann mit Maske da stehen. Sie hielten ihn für einen bewaffneten Bankräuber, der bereit war auf sie zu schießen und schossen sofort. Mehrmals. Jürgen wurde mehrmals an der Brust getroffen. Eine Kugel traf in in den Kopf. Er liess die Sektflasche fallen (die zu Boden fiel und zerschellte, sackte mit seinem Rucksack auf dem Rücken sofort auf der Straße zusammen und blieb auf dem Rücken regungslos liegen. Er war sofort tot.
"Wir haben ihn erwischt!", schrie ein Polizist.
Ich schrie sofort": IHR HABT DEN FALSCHEN GETROFFEN! IHR HABT EINEN UNSCHULDIGEN GETROFFEN! IHR HÄTTET DOCH SEHEN MÜSSEN, DASS DIESER MANN EINFACH BETRUNKEN UND DUCH CORONA VERWIRRT IST!"
Dann ertönte unterschiedliche Stimmen. Ich stand geschockt am Strassenrand und blickte auf die Leiche von Jürgen. Eine grosse Blutlache hatte sich unter seinen Hinterkopf gebildet. An der Brust blutete er aus dem Einschusslöchern.
"Was?", fragte eine Passant.
"DAS KANN NICHT WAHR SEIN! DAS PASSIERT NICHT WIRKLICH!", schrie ein anderer Passant.
"WIR HABEN DEN FALSCHEN GETROFFEN", rief ein Polizist.
"WAS? WIE KANN DAS PASSIEREN!?", schrie ein anderer Polizist.
"MEINE GÜTE! HOLT EINEN KRANKENWAGEN!", schrie ein Passant.
"WIR HABEN DEN FALSCHEN GETROFFEN! ER IST GAR KEIN GÄNGSTER! NUR WEIL ER EINE CORONAMASKE AUFHATTE UND EINE SEKTFLASCHE IN DER HAND HATTE, IST ER KEIN GÄNGSTER!", schrie ein Polizist. "WAS HABEN WIR GETAN?"
"WIR HÄTTEN NICHT SCHIESSEN SOLLEN!"
"IHR SEID DOCH VERRÜCKT!"
"HOLT ENDLICH DEN KRANKENWAGEN! HOLT ENDLICH DEN KRANKENWAGEN!"
"ER IST TOT! ER IST TOT!"
"Ich rufe den Krankenwagen!"
"ABER ES IST ZU SPÄT!"
"TUT DOCH WAS! ER VERBLUTET!"
Dann sah ich, wie mehrere Polizisten und Männer der Sondereinheit zu ihm liefen. Ein Mann bückte sich und leistete erste Hilfe indem er Mund-zu-Mund-Beatmung machte. Andere versuchten es Herz- Lungen-Wiederbelebungsmassnahmen wie zum Beispiel Herzdruckmassage... Wenig später kam ein Krankenwagen. Er hielt in der Nähe der Polizeiwagen. Die Rettungskräfte, die sofort ausstiegen und losrannten, taten wenig später ihr Bestes Jürgen wieder zu beleben. Doch vergeblich. Er war tot. Ich brach kurz darauf zusammen. Nachdem ich später psychologisch und ärztlich versorgt worden war, wurde ich von der Polizei zu den Geschehnissen und zu Jürgen befragt. Ich sagte der Polizei, dass ich Jürgen nur flüchtig kannte.

Als ich nach Hause kam, hatte Gaby Verständnis für meine Erlebnisse. Wir kamen uns wieder näher. Ich beschloss meine Erlebnisse aufzuschreiben.


Und nun sitze ich hier am 3. Dezember 2041 hier an meinem Schreibtisch meiner Wohnung und schreibe die Geschichte mit Jürgen nieder. Es ist zwar eine traurige Geschichte. Auf der anderen Seite hatte ich in Jürgen für kurze Zeit einen Freund gefunden. Auch wenn diese Freundschaft (die aus meiner Sicht ab dem Zeitpunkt bestand, als er mir geholfen hatte, indem er verhindert hatte, dass mein Portemonnaie geklaut wurde) nur drei Tage gedauert hatte. Ich denke, dass ich ihn mit meiner Einladung im Restaurant Mister Rhinaldo eine Freunde gemacht hatte. Ich tat es gerne. Ich habe durch ihn gelernt die Zeit, die ich im Leben habe, zu schätzen. Denn es kann jede Zeit schnell vorbei sein. Abschließend will ich noch sagen, dass ich überrascht bin, dass ich mit meinen Beobachtungen Recht hatte, dass der Mann mit der Sonnenbrille und die drei Männer mit dem Wagen Täter waren! Nur die Erlebnisse am Friedhof kann ich nicht mit dem Banküberfall in Verbindung bringen. Das waren wohl frustrierte, randalierende Jugendliche....Dass Jürgen beim Banküberfall überraschend durch eine Verwechslung oder Irrtum unschuldig starb (was für ein schrecklicher Unfall!), war für mich eine Überraschung und ein Schock! Von dem ich mich so leicht nicht erholen werde.

Zusammengefasst: Ich habe mich nach all den ganzen Erlebnissen verändert. Ich gehe zum Gottesdienst, lese christliche, biblische Artikel im Internet, mache eine Psychotherapie, um diese Erlebnisse aufzuarbeiten....Und nun sitze ich hier und schreibe diese Geschichte auf. Denn Stoff für ein Buch habe ich genug....

Datum

February 5, 2021

Thema

future
health
culture

Sprache

de

This item was submitted on 19. November 2022 by Berthold von Kamptz using the form “Beitrag hochladen” on the site “Corona-Memory.ch DE”: https://www.corona-memory.ch/s/corona-memory

Hier klicken, um die gesammelten Daten zu sehen.
Previous item Next item